Hilfe, meine Kühe haben zu oft Nachgeburtsverhaltungen – an diesen Ursachen kann es liegen

Dr. Julia Blumenberg

·

12.09.2025

·

6 Min. Lesezeit

Erleichtert stehst du in der Abkalbebox. Die Geburt war schwierig, aber das Kalb ist gesund und munter. Jetzt muss nur noch schnell die Nachgeburt kommen. Aber es passiert nichts! Normalerweise löst sich die Plazenta zwischen einer halben Stunde und acht Stunden nach der Kalbung. Wenn aber nach 12 Stunden immer noch nichts passiert ist, spricht man von Nachgeburtsverhaltungen. Und das ist kein gutes Zeichen.

In Deutschland sind im Schnitt 2–12 % der Kühe betroffen – in manchen Herden sogar deutlich mehr. Damit gehört Nachgeburtsverhalten zu den wichtigsten Fruchtbarkeitsproblemen überhaupt. Je schneller du sie erkennst, desto besser kannst du Folgekrankheiten und Leistungseinbußen vermeiden. Und mindestens genauso wichtig: herausfinden, warum es überhaupt passiert.

Weibliche Kuh bringt Neugeborenes in Milchviehbetrieb zur Welt

Generell ist es so, dass alle Kühe mit gestörtem Geburtsablauf oder verfrühtem Einsetzen der Geburt ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Nachgeburtsverhalten haben. Dazu zählen: Zwillingsgeburten Zwillingsträchtigkeit beim Rind – Double Trouble?, Kaiserschnitte, Aborte Aborte beim Rind - wie sollte ich vorgehen?, Früh- oder Totgeburten, Gebärmutterverdrehung und Schwergeburten, z. B. durch ein zu großes Kalb oder bei falscher Zughilfe1.

Lies auch Ein guter Start für Kalb und Kuh: Die fünf Phasen der Geburt, Gute Geburt, starke Kälber: Geburtsbedingungen beeinflussen Kuhleistung.

Ein bisschen Biologie…

Wenn du die biologischen Abläufe während der Trächtigkeit und Geburt deiner Tiere kennst, wird auf einmal ganz klar, warum in bestimmten Situationen Nachgeburtsverhaltungen auftreten. So sind während der Trächtigkeit die Eihäute des Kalbes über viele Kontaktstellen, die so genannten Kotyledonen mit der Gebärmutter der Kuh verbunden. Darüber erhält das Kalb Nährstoffe und kann wachsen. Bereits einige Tage vor der Geburt werden diese Verbindungen durch Entzündungsreaktionen gelockert und so Grundstein für einen erfolgreichen Nachgeburtsabgang gelegt. Kommt es zu einer Frühgeburt, kann es sein, dass dieser Prozess im Körper der Kuh noch gar nicht stattgefunden hat und eine Nachgeburtsverhaltung ist vorprogrammiert.

Damit unsere trächtige Kuh diese wichtigen Entzündungsmediatoren bilden kann, braucht sie einen gesunden Stoffwechsel und eine funktionierende Leber. Fehler im Management während der Trockenstehzeit – etwa mit Mykotoxinen belastetes Futter, zu wenig Futter oder Wasser, Überkonditionierung, Klauenprobleme – erhöhen das Risiko für Nachgeburtsverhalten. Wichtig sind außerdem Vitamine und Spurenelemente, besonders Kalzium. Denn auch subklinisches Milchfieber kann zu Wehenschwäche führen, die bedingt, dass die Kuh nicht in der Lage ist, die Nachgeburt auszutreiben.

Somit hätten wir schon einmal 2 Ursachen identifiziert: Fütterungsfehler und Stoffwechselprobleme.

Es gibt aber auch noch andere Ursachen:

  • Stress oder Managementfehler im Stall wie Verfettung oder eine unangepasste Geburtshilfe
  • Infektionen – und hier kommt’s: Q-Fieber.

Immer mehr Studien zeigen, dass Q-Fieber (Coxiella burnetii) eine Rolle beim Nachgeburtsverhalten spielen kann. Das Tückische: Du kannst deinen Kühen nicht ansehen, ob sie Q-Fieber haben. 

Q-Fieber-Infektion als Auslöser – aber was ist Q-Fieber überhaupt?

Q-Fieber wird von Bakterien ausgelöst, den sogenannten Coxiellen. Sie leben bevorzugt im Reproduktionstrakt von Wiederkäuern und werden in großen Mengen u.a. bei einer Geburt ausgeschieden. Über die Luft können sich nun andere Tiere, aber auch Menschen mit Q-Fieber anstecken.

Mehr über Q-Fieber bei Wiederkäuern und Menschen liest du hier:

Was Sie jetzt über Q-Fieber in der Nutztierhaltung wissen sollten

Q-Fieber bei Menschen: Schwere akute und chronische Erkrankungen möglich

Kühe, die positiv auf Q-Fieber getestet wurden, litten fast doppelt so häufig an Nachgeburtsverhaltungen wie gesunde Kühe2. In einer weiteren Studie wurde das Vorkommen von Coxiella burnetii zwischen spät und regulär abgegangenen Nachgeburten verglichen. Das Ergebnis: 89% der verhaltenen Nachgeburten waren mit dem Erreger belastet. Das sind 9 von 10 Nachgeburtsverhaltungen! Gegenüber nur 40% der regulär ausgeschiedenen Nachgeburten. Vor allem Kühe ab der dritten Kalbung waren deutlich häufiger betroffen3.

Auch Praxiserfahrungen stützen diesen Zusammenhang: Auf einem Betrieb wurde im Jahr 2019 eine ungewöhnlich hohe Rate an Nachgeburtsverhaltungen festgestellt. Untersuchungen wiesen dabei Coxiella burnetii als Mitverursacher nach – neben dem Erreger Escherichia coli. Erst durch gezielte Maßnahmen, insbesondere durch mehrjährige Impfungen gegen Q-Fieber, konnte die Zahl der Fälle deutlich gesenkt werden. Einzelheiten zu diesem Fall können Sie in unserem Artikel Weniger Nachgeburtsverhaltungen beim Rind dank Q-Fieber-Impfung

Weitere Hinweise auf den positiven Effekt der Impfung lieferte eine großangelegte Studie4 von 2022 in der 49 Betriebe untersucht wurden. Dabei zeigte sich: in den Impfbetrieben nahm der Anteil an Nachgeburtsverhalten kontinuierlich über die Zeit ab, während er in den nicht geimpften Kontrollbetrieben weitgehend konstant blieb.

Warum du Nachgeburtsverhalten ernst nehmen solltest

Nachgeburtsverhalten ist kein einzelnes Ereignis – es zieht schnell einen Rattenschwanz an Problemen nach sich:

Und noch etwas Wichtiges: Q-Fieber ist auch für Menschen gefährlich! Ein Gramm Nachgeburt enthält ca. 1 Milliarde Coxiellen. Und schon 10 Bakterien reichen aus, damit du dich als Landwirt mit Q-Fieber ansteckst.

Was kannst du tun bei Nachgeburtsverhaltungen?

  1. Daten im Blick behalten
    Wenn die Rate an Nachgeburtsverhaltungen in deinem Betrieb über 15 % liegt, ist Handlungsbedarf angesagt5.
  2. Tierarzt einbinden
    Gemeinsam Ursachen checken: Infektionen, Fütterung, Management…
  3. Q-Fieber-Screening
    Über Tankmilch lässt sich testen, ob Coxiellen im Spiel ist – die Tests kannst Du kostenlos bei uns bekommen Anmeldung Q-Fieber Diagnostik
  4. Maßnahmen ergreifen
    Ist dein Betrieb Q-Fieber positiv, besprich mit deinem Tierarzt, die richtige Impfstrategie.

Interessant könnte auch sein: Q-Fieber-Impfung bei Rindern: Tiergesundheit und Leistung verbessern! 

Fazit

Nachgeburtsverhalten ist oft nur die Spitze des Eisbergs. Wenn du Ursachen frühzeitig aufdeckst und vorbeugst, stärkst du die Gesundheit, Fruchtbarkeit und Leistung deiner Herde – und schützt gleichzeitig dich und deine Familie vor einer Infektion.

 

Quelle:

1 Die Gefahr nach dem Kalben, Dr. Patricia Steckeler, TGD Bayern, 2.7.2021, BLW 26

2 López-Gatius F, Almeria S, Garcia-Ispierto I. Serological screening for Coxiella burnetii infection and related reproductive performance in high producing dairy cows. Res Vet Sci. 2012 Aug;93(1):67-73. doi: 10.1016/j.rvsc.2011.07.017. Epub 2011 Sep 8. PMID: 21862091.

3 Dobos A, Fodor I. Prevalence of Coxiella burnetii in bovine placentas in Hungary and Slovakia: Detection of a novel sequence type - Short communication. Acta Vet Hung. 2021 Oct 26. doi: 10.1556/004.2021.00047. Epub ahead of print. PMID: 34735368.

4 Huber N, Besteht ein Zusammenhang zwischen der Q-Fieber-Impfung (COXEVAC®) und dem Antibiotikaverbrauch in Milchkuhbetrieben? 2022. Dissertation, Tierärztliche Hochschule Hannover.

5 De Kruif A, Mansfeld R, Hoedemaker M. 2014. Tierärztliche Bestandsbetreuung beim Milchrind (3. Aufl.). Georg Thieme Verlag.

6 Q-Fieber im Stall: Unsichtbare Gefahr für Rinder, Schafe und Menschen | Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt

Artikel zu ähnlichen Themen

Keinen Blogpost mehr verpassen mit unseren Newsletter.