Kuh im Stall schaut neugierig

Plötzlich Fieber: Notfallmanagement im Rinderstall, wenn BTV oder EHD dahinterstecken

Dr. Christina Hirsch

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21.08.2025

·

5 Min. Lesezeit

Es ist Sommer: Alles läuft wie gewohnt, die Fütterung stimmt – und doch fallen plötzlich einzelne Kühe abgeschlagen auf. Vielleicht fressen sie weniger, die Milchleistung geht leicht zurück, oder die Schleimhäute wirken vereinzelt etwas ungewöhnlich verfärbt.

Solche Veränderungen können erste Hinweise auf ernsthafte Erkrankungen wie die Blauzungenkrankheit (BTV) oder die epizootische hämorrhagische Krankheit (EHD) sein. Beide Krankheiten werden über Stechmücken übertragen, zeigen ähnliche Symptome und lassen sich ohne Laboruntersuchung kaum sicher unterscheiden.

  • BTV (Blauzungenkrankheit): Virale Infektionskrankheit, die vor allem Rinder befällt und durch Mücken (Culicoides) übertragen wird. Typische Symptome: Fieber, Schwellungen, Schleimhautveränderungen, verminderte Milchleistung. Weitere Informationen zur Blauzungenkrankheit und zur Prävention finden Sie hier: Blauzungenkrankheit bei Wiederkäuern: Was Sie als Tierhalter wissen müssen
  • EHD (Epizootische hämorrhagische Krankheit): Ebenfalls ein durch Culicoides-Mücken übertragener Virus, der bei Rindern ähnliche Symptome wie BTV verursachen kann. In Deutschland steht mittlerweile ein zugelassener Impfstoff zur Verfügung, der die Risikogruppen schützen kann. Hier finden Sie weitere Infos zur Epizootischen Hämorrhagischen Krankheit: Epizootische hämorrhagische Krankheit: Was Sie als Landwirt jetzt wissen müssen

INFO: Beide Erkrankungen sind in Deutschland anzeigepflichtig und bereits ein Verdacht muss dem Veterinäramt umgehend gemeldet werden.

In diesem Artikel erfahren Sie:

  • Was BTV und EHD unterscheidet und warum auch geimpfte Tiere manchmal Symptome zeigen.
  • Welche ersten Anzeichen Sie bei Ihrer Herde erkennen können.
  • Wie Sie auf Ihrem Betrieb ein sicheres Notfallmanagement umsetzen.
  • Wie Sie die Mückenaktivität praktisch berücksichtigen, um das Infektionsrisiko zu senken.
  • Welche Maßnahmen Sie direkt auf Ihrem Betrieb ergreifen können, um die Herde zu schützen und die Ausbreitung von Erkrankungen zu verhindern.

Mögliche Gründe für Fieber und Leistungsminderung in der Herde

Tiere können plötzlich Fieber, Schwellungen oder Schleimhautveränderungen zeigen. Nicht immer steckt sofort BTV oder EHD dahinter – eine Reihe anderer Ursachen sollte ebenfalls in Betracht gezogen werden:

  • Infektionen: Bakterielle oder virale Erkrankungen wie Mastitis, Lungenentzündungen, Blutvergiftungen, Rindergrippe, Parainfluenzaviren, Q-Fieber, Salmonellose, IBR, BVD, BTV oder EHD können Fieber und Abgeschlagenheit verursachen. Oft treten diese Erkrankungen gleichzeitig in Kombination mit Stressfaktoren stärker auf.
  • Stoffwechselprobleme: Ketose, Pansenazidose, Mineralstoffmängel oder andere Stoffwechselstörungen führen oft zu Schwäche, Fressunlust und erhöhter Körpertemperatur.
  • Stress oder Umweltfaktoren: Hitze, Transport, veränderte Fütterung, Stallwechsel oder soziale Konflikte innerhalb der Herde können Symptome wie Fieber, Appetitlosigkeit oder verminderte Aktivität auslösen.
  • Parasitäre Infektionen: Würmer, Blutparasiten oder andere externe Parasiten schwächen Tiere, was sich in Leistungseinbußen und erhöhter Anfälligkeit zeigt.
  • Alter und Immunstatus: Jungtiere oder Tiere mit geschwächtem Immunsystem reagieren empfindlicher auf Infektionen.

Tipp: Beobachten Sie Ihre Herde regelmäßig und dokumentieren Sie Veränderungen systematisch. Nur so lassen sich Ursachen früh erkennen und ein Notfallmanagement rechtzeitig einleiten.

Warum Symptome trotz Impfung auftreten können

Auch geimpfte Tiere können Symptome zeigen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind:

  • Falscher Serotyp: Das zirkulierende Virus entspricht möglicherweise nicht dem Impfstofftyp. BTV besitzt über 30 Serotypen, Impfstoffe schützen in der Regel nur gegen bestimmte Typen.
  • Immunitätslücken: Manche Tiere entwickeln nach der Impfung nur eine schwache oder verzögerte Immunantwort, z. B. bei Jungtieren, kranken oder gestressten Kühen.
  • Zeitpunkt der Impfung: Kühe, die kurz vor Beginn der Mückenaktivität geimpft wurden, haben eventuell noch keinen vollständigen Schutz aufgebaut.
  • EHD-spezifisch: Für EHD steht in Deutschland inzwischen ein zugelassener Impfstoff zur Verfügung. Auch hier ist der vollständige Schutz abhängig vom Zeitpunkt der Impfung und der individuellen Immunantwort.

Hinweis: Auch geimpfte Tiere sollten regelmäßig beobachtet werden, damit erste Symptome früh erkannt und die notwendigen Maßnahmen rechtzeitig eingeleitet werden können.

Notfallmanagement auf dem Betrieb

Wenn Fieber und andere Symptome auftreten, ist schnelles und strukturiertes Handeln entscheidend. Ein klarer Ablauf kann helfen, die Ausbreitung zu verhindern und den Tieren schnell zu helfen:

  1. Isolation verdächtiger Tiere
    • Separieren Sie auffällige Tiere von der Herde, um die Ausbreitung von Infektionen zu verhindern.
    • Bereiten Sie separate Futter- und Wasserstellen vor, sodass die Tiere in der Absonderung weiterhin normal versorgt werden können.
  2. Tierärztliche Kontaktaufnahme
    • Melden Sie den Verdacht zeitnah und rufen sofort ihren Tierarzt
    • Stellen Sie Ihrem Tierarzt die Dokumentationen zur Verfügung
  3. Dokumentation
    • Notieren Sie Symptome, betroffene Tiere, Datum, Fütterung, Stallbedingungen und Beobachtungen
    • Fotos von Schleimhäuten, Schwellungen oder Hautveränderungen können hilfreich sein
  4. Hygienemaßnahmen
    • Stallreinigung, Desinfektion von Geräten, Schutzkleidung tragen
    • Tränken und Futterstationen regelmäßig reinigen, um Kreuzkontamination zu vermeiden
  5. Überwachung der Herde
    • Regelmäßige Temperaturkontrolle
    • Beobachtung von Fress- und Trinkverhalten sowie Bewegungsaktivität
    • Frühe Isolation neuer auffälliger Tiere
  6. Notfallplan für den Betrieb erstellen
    • Separationsflächen bereitstellen, Tränken und Futter verfügbar machen
    • Schutz- und Hygienemaßnahmen griffbereit halten: Schutzkleidung, Desinfektionsmittel, Reinigungsequipment
    • Mückenmanagement intensivieren (siehe unten)
    • Dokumentation der Symptome, Futteraufnahme, Temperatur und Stallbedingungen

Praxis-Tipp: Halten Sie immer Schutzkleidung, Desinfektionsmittel, Thermometer und Dokumentationsmaterial auf dem Betrieb bereit. So können Sie im Ernstfall schnell reagieren.

Mückenaktivität praktisch berücksichtigen

Da sowohl BTV als auch EHD über Culicoides-Mücken übertragen werden, spielt deren Aktivität eine entscheidende Rolle:

  • Hauptaktivität: Abend- und Nachtstunden, besonders bei warmem, feuchtem Wetter.
  • Maßnahmen auf dem Betrieb:
    • Stallungen abdichten oder Insektenschutzgitter einsetzen
    • Kühe während der Spitzenzeiten, v.a. abends von der Weide holen
    • Wasserstellen und feuchte Bereiche mückensicher gestalten
    • Einsatz von Repellentien oder mückenabwehrenden Präparaten prüfen

Tipp: Ein einfacher Mückenaktivitätskalender kann helfen, die Hochrisikoperioden zu erkennen und entsprechend zu handeln.

Diagnostische Checkliste für Landwirte

Wenn der Verdacht auf BTV oder EHD besteht, ist die präzise Dokumentation entscheidend, damit der Tierarzt gezielt handeln kann:

  • Körpertemperatur messen
  • Schleimhäute (Augen, Lippen, Zunge, Nasenränder) prüfen
  • Beobachtung von Lahmheit, Schwellungen oder Hautveränderungen an Klauen und Kronsaum
  • Seien Sie vorbereitet, dass Ihre Tiere gesammelt und zügig fixiert werden können wenn der Tierarzt kommt
  • Dokumentation aller Beobachtungen für Tierarzt und Veterinäramt

Wichtig: Die endgültige Diagnose stellt der Tierarzt – Ihre wichtige Rolle liegt darin, erste Anzeichen frühzeitig zu erkennen, auffällige Tiere sicher zu isolieren, alle Beobachtungen sorgfältig zu dokumentieren und die tierärztlichen Maßnahmen optimal zu unterstützen.

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