Kuh mit Zwillingskälbern im Stall nach der Geburt

Zwillingsträchtigkeit beim Rind – Double Trouble?

Gast Autor Ceva Rind

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10.05.2022

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4 Min. Lesezeit

Wir freuen uns sehr, dass uns Dr. Stefan Borchardt als Fruchtbarkeitsexperte und Mitarbeiter der Freien Universität Berlin diesen spannenden Artikel zum Thema „Zwillingsträchtigkeiten beim Rind“ geschrieben hat. Mit seiner Expertise hat er uns schon vor Jahren überzeugt und sein Wissen sowie Studienergebnisse mit uns geteilt.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen und freuen uns auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit mit  Dr. Stefan Borchardt!

Landwirt mit Zwillingskälbchen im Stall

Kühe mit Zwillingsgeburten verursachen Probleme, weil Sie häufiger Geburtskomplikationen, Erkrankungen in der Frühlaktation, eine schlechtere Fruchtbarkeit und ein höheres Merzungsrisiko haben. Weibliche Kälber aus getrenntgeschlechtlichen Zwillingsgeburten (d.h. männliches und weibliches Kalb) sind in der Regel unfruchtbar. Dementsprechend benötigen die betroffenen Kühe und Kälber besondere Aufmerksamkeit.

Auswirkung von Zwillingsträchtigkeiten

In einer Untersuchung an 35.000 Holstein Kühen (davon 973 Kühe mit Zwillingsgeburten) konnten wir folgendes feststellen:
  • Mehrkalbskühe hatten häufiger Zwillingsträchtigkeiten (Laktation 1: 0,8%; Laktation 2: 2,7%; Laktation 3+: 4,5%)
  • Die Trächtigkeitsdauer ist bei Zwillingsgeburten 5 Tage kürzer (272 Tage vs. 277 Tage). Es gibt allerdings eine große Streuung (siehe Abbildung 1)
  • Kühe mit Zwillingsgeburten hatten ein 5-fach höheres Risiko für eine Totgeburt gegenüber Kühen mit einer Einlingsträchtigkeit
  • Kühe mit Zwillingsgeburten hatten häufiger Erkrankungen 

⇒ 1,5-fach höheres Risiko für eine Ketose

⇒ 7,6-fach höheres Risiko für eine Metritis

  • Kühe mit Zwillingsgeburten haben 430 kg weniger Milch produziert 
  • Kühe mit Zwillingsgeburten hatten ein 2-fach erhöhtes Risiko in den ersten 60 Laktationstagen gemerzt zu werden gegenüber Kühen mit einer Einlingsträchtigkeit
  • Kühe mit Zwillingsgeburten hatten eine schlechtere Fruchtbarkeit (+42 Tage Zwischentragezeit) 

Ausgehend von den negativen Effekten von Zwillingsträchtigkeiten auf Leistung, Fruchtbarkeit und Tiergesundheit ergibt sich ein entgangener Gewinn von ca. 350 € pro Kuh mit einer Zwillingsträchtigkeit.

Abbildung 1 Trächtigkeitsdauer bei Kühen in einer Zwillingsträchtigkeit

Entstehung von Zwillingsträchtigkeiten

Zwillingsträchtigkeiten entstehen in der Regel immer aus Doppelovulationen. Hier gibt es eine Beziehung zwischen der Milchleistung und dem Auftreten von Doppelovulationen (siehe Abbildung 2). Hochleistende Kühe fressen entsprechend viel Futter, was zu einer intensiven Durchblutung der Leber führt. In der Leber werden vor allem auch die Sexualhormone verstoffwechselt, wie z. B. Progesteron. Durch die starke Durchblutung werden die Hormone schneller verstoffwechselt. Als Folge ist die Konzentration im Blut niedriger. Bei einem geringen Progesteron-Gehalt im Blut kommt es wiederum vermehrt vor, dass mehrere Follikel zeitgleich ovulieren.

Mehr zur Funktion von Progesteron und dem therapeutischen Einsatz erfahren Sie hier.

Zwillinge_Abbildung 2

Schließlich können diese Doppelovulationen in Zwillingsträchtigkeiten resultieren. Das ist auch die Ursache für die geringere Häufigkeit von Zwillingsträchtigkeiten bei Färsen gegenüber Mehrkalbskühen. Man unterscheidet unilaterale (d.h. Zwillinge befinden sich in einem Gebärmutterhorn) und bilaterale (d.h. Zwillinge befinden sich jeweils in einem Gebärmutterhorn). Insbesondere unilaterale Zwillinge führen häufiger zu Aborten und/oder Schwergeburten.

Identifikation von Kühen mit Zwillingsträchtigkeiten

Ultraschall von Zwillingskälbern

Zur Identifikation von Kühen mit einer Zwillingsträchtigkeit sollte man eine Trächtigkeitsuntersuchung mit Ultraschall durchführen. Hinweise für eine Zwillingsträchtigkeit sind die Darstellung von:
  • Zwei Gelbkörpern (Entstehung aus Doppelovulation)
  • Zwei Embryonen
  • Der sogenannten „Twin Line“ (Entstehung durch Überlagerung der Fruchthüllen)

Auf Grund des erhöhten Risikos für einen Fruchtverlust (insbesondere bei unilateralen Zwillingen) ist eine Kontroll-TU auf jeden Fall empfehlenswert.


Weitere sinnvolle Management-Maßnahmen für diese Tiere sind:

  • Markieren der Tiere
  • Eine Woche früher Trockenstellen und Umstellen in die Vorbereitergruppe
  • Geburtshilfe
  • Stoffwechselprophylaxe (z.B. Calcium Bolus, Eingabe von Propylenglykol, Einsatz von KEXXTONE ca. drei Wochen vor der Geburt)

Vorbeugen von Doppelovulationen und Zwillingsträchtigkeiten

Grundsätzlich gibt es nur eingeschränkte Maßnahmen, um Zwillingsträchtigkeiten vorzubeugen. Wer weiter hochleistende Kühe züchten möchte, muss Zwillinge in Kauf nehmen. Auf Grund der Physiologie gibt es allerdings Risikofaktoren, die das Auftreten einer Doppelovulation begünstigen können.

Insbesondere die Verwendung von Ovsynch Protokollen bei Tieren ohne Gelbkörper zu Beginn des Protokolls (geringe Progesteronkonzentration) kann das Risiko für eine Doppelovulation erhöhen. In einer Studie von Carvalho et al. (2019) konnte gezeigt werden, dass Tiere mit geringer Progesteronkonzentration während der Follikelreifung in einem Ovsynch Protokoll ein deutlich höheres Risiko für Doppelovulationen (33% vs. 10%) und Zwillingsträchtigkeiten (29% vs. 0%) hatten gegenüber Kühen mit einer hohen Progesteronkonzentration. Der Einsatz von exogenem Progesteron in Form einer intravaginalen Gabe kann hier helfen um Doppelovulationen und Zwillingen vorzubeugen (siehe Abbildung 3). Zusätzlich kann man einen positiven Effekt (+ 5 bis 10%) auf den Konzeptionserfolg erwarten. Letztendlich bleibt aber vor allem die Identifikation von Tieren mit Zwillingsträchtigkeiten und das Management dieser Tiere entscheidend.

Abbildung 3 Einsatz von Progesteron bei Kühen ohne Gelbkörper zu Beginn eines Ovsynch Protokolls

Mehr zum Thema Gelbkörper bei Kühen lesen Sie hier.

Hier gehts zur Anmeldung zur Erstanwendererhebung.

Text von Dr. Stefan Borchardt, Tierklinik für Fortpflanzung, FU Berlin

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