Kühe auf einem Feld

Mob Grazing: Was ist dran an der Weidestrategie für Trockengebiete?

Inga Oestereich

·

2.12.2025

·

5 Min. Lesezeit

Stell dir vor, deine Weide ist im Hochsommer komplett verdorrt. Kein Grün weit und breit. Die Kühe stehen im Stall und du fütterst Silage – mitten im Juli. Kommt dir bekannt vor? Die letzten Trockenjahre haben vielen von uns gezeigt: Die klassische Kurzrasenweide stößt an ihre Grenzen. Aber vielleicht gibt's ja eine Lösung, die schon seit Jahrtausenden funktioniert?

Was zum Teufel ist Mob Grazing?

Mob Grazing – klingt erst mal nach irgendwas mit Mafia, oder? Hat aber nix damit zu tun. Der Begriff kommt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie „Herdenbeweidung". Die Idee dahinter ist simpel: Wir schauen uns ab, wie Wildtierherden in der afrikanischen Savanne weiden. Keine Kurzrasenweide, kein langes Verweilen auf einer Fläche. Stattdessen: Rein, abgrasen, weiterziehen. Und zwar als richtige Herde.

Du fragst dich jetzt wahrscheinlich: Warum sollte ich das machen? Ganz einfach – weil's funktioniert. Und zwar besonders gut, wenn's trocken wird.

Die fünf goldenen Regeln beim Mob Grazing

1. Richtig viel Vieh auf wenig Platz

Wir reden hier von etwa 200 Kühen pro Hektar. Ja, du hast richtig gelesen. Das klingt erst mal völlig verrückt, aber genau das ist der Trick. Durch die hohe Besatzdichte entsteht ein Herdeneffekt: Deine Kühe werden weniger wählerisch und fressen auch das, was sie normalerweise stehen lassen würden. Keine Selektion mehr – alles wird verwertet.

2. Zeit ist der entscheidende Faktor

Die Tiere bleiben maximal 6 bis 24 Stunden auf einer Parzelle. Das war's. Dann geht's weiter zur nächsten Fläche. Das verhindert Überweidung und gibt den Pflanzen die Chance, sich zu erholen. Denn – und das ist wichtig – bei Mob Grazing geht's nicht um die Anzahl der Tiere, sondern um die Zeit, die sie auf der Fläche verbringen.

3. Lange Pausen für deine Weide

Nach der Beweidung braucht die Fläche Ruhe. Und zwar richtig viel davon. Wir sprechen hier von 20 bis 25 Tagen, manchmal sogar länger. In dieser Zeit können die Pflanzen tief wurzeln und ordentlich Biomasse aufbauen. Das macht sie robust gegen Trockenheit und sorgt für besseren Humusaufbau.

4. Hoch und höher – lass das Gras wachsen

Vergiss alles, was du über Kurzrasenweide gelernt hast. Beim Mob Grazing lässt du deine Weide bis zu 60 Zentimeter hochwachsen – je nach Standort. Das Gras ist dann zwar weniger proteinreich, aber genau deshalb eignet sich das System super für Mutterkühe. Und der Clou: Die Pflanzen haben mehr Zeit zum Wachsen, bilden tiefere Wurzeln und können so besser mit Trockenheit umgehen. Zudem sagen Studien, dass 85-90 % der Wurmlarven nicht über 5-6,5cm hochkriechen können1. Aber ob Mob Grazing deshalb auch eine mögliche Weidestrategie ist, um den Parasitendruck zu verringern, betrachten wir in einem anderen Artikel.

Mehr zum Parasitenmanagement auf der Weide gibt’s hier: Ein Refugium für Parasiten - Refugia als selektive Behandlungsstrategie

Ein FeldQuelle: https://innovativefarmers.org/news/mob-grazing-for-dairy-can-tall-grass-unlock-underperforming-fields/

5. Weidereste sind erwünscht!

Jetzt kommt der Teil, der für viele gewöhnungsbedürftig ist: Mehr als die Hälfte des Aufwuchses soll niedergetrampelt werden. Klingt nach Verschwendung? Ist es aber nicht! Die Kühe treten die Pflanzenreste in den Boden, vermischt mit ihrem Dung. Das Ergebnis? Eine schützende Mulchschicht, die den Boden vor Austrocknung und Erosion bewahrt. Und nebenbei wird der Boden mit wertvollem Kohlenstoff angereichert.

Warum funktioniert das Ganze überhaupt?

Stell dir vor, du bist eine Gnuherde in der Serengeti. Du kannst nicht einfach auf einer Stelle bleiben, weil sonst die Raubtiere kommen. Also ziehst du weiter, immer dem frischen Gras hinterher. Genau dieses Prinzip übertragen wir auf unsere Weiden. Die Natur hat's uns vorgemacht – wir müssen nur hinschauen.

Der hohe Pflanzenbestand schafft ein Mikroklima, in dem weniger Wasser verdunstet. Die Photosynthese läuft länger, die Pflanzen wachsen besser. Nach Regen verschlämmt der Boden nicht, weil die Pflanzenmasse ihn schützt. Mehr Wasser kann versickern, weniger Erde wird abgeschwemmt. Ein Kreislauf, der sich selbst verstärkt.

Mob Grazing vs. Kurzrasenweide – wo ist der Unterschied?

Bei der klassischen Kurzrasenweide halten wir das Gras kurz – immer schön nachgefressen. Das funktioniert prima, wenn genug Regen fällt. Aber in trockenen Jahren? Da kommt das System ins Schwitzen. Die Pflanzen haben kaum Zeit, tiefe Wurzeln zu bilden. Sie sind gestresst, der Ertrag bricht ein.

Beim Mob Grazing ist das anders. Hier sind Weidereste sogar erwünscht – ein Paradigmenwechsel! Was bei anderen Systemen als Futterverlust gilt, ist hier Systembestandteil. Die niedergetretenen Pflanzen füttern den Boden und nicht die Kuh. Das Ziel ist nicht die maximale Futterausnutzung pro Kuh, sondern die maximale Bodengesundheit. Und ein gesunder Boden bringt langfristig mehr Ertrag – auch in Trockenjahren.

Ist Mob Grazing was für dich?

Ganz ehrlich? Das System ist noch relativ neu in Deutschland. Es gibt bisher wenige wissenschaftliche Erkenntnisse aus unseren Breitengraden. Betriebe wie Gut Temmen machen's vor und berichten von Erfolgen. Aber ob's auch auf deinem Betrieb funktioniert? Das musst du ausprobieren.

Das System braucht Umdenken. Du musst deine Kühe täglich oder sogar mehrmals täglich umtreiben. Du brauchst ein ausgeklügeltes Koppelsystem. Und du musst akzeptieren, dass die Hälfte deines Grases nicht gefressen, sondern niedergetrampelt wird. Das ist für viele erst mal schwer zu verdauen.

Aber: Wenn du in einer trockenen Region wirtschaftest, wenn deine Weiden im Sommer regelmäßig verdorren, wenn du nach Alternativen suchst – dann könnte Mob Grazing genau das Richtige für dich sein. Es ist kein Allheilmittel, aber ein Werkzeug, das funktionieren kann.

Fazit

Mob Grazing ist keine neue Erfindung. Es ist eigentlich uralt – wir haben's nur vergessen. Die Natur zeigt uns seit Jahrtausenden, wie's geht. Jetzt liegt's an uns, ob wir hinschauen und lernen wollen. 

Klar, das System erfordert Mut zum Ausprobieren. Aber in Zeiten des Klimawandels, mit immer häufigeren Dürreperioden, können wir uns vielleicht gar nicht mehr leisten, alles beim Alten zu lassen. Vielleicht ist Mob Grazing nicht die Antwort auf alle Fragen. Aber vielleicht ist es genau der Ansatz, der deinen Betrieb fit für die Zukunft macht.

 

Quellen:

1 https://www.wormx.info/density

2 Mob Grazing – eine alternative Weidestrategie? - Haus Riswick, Landwirtschaftskammer NRW

3  Netzwerk Mob Grazing https://www.mob-grazing.de/definition-mob-grazing

Artikel zu ähnlichen Themen

Keinen Blogpost mehr verpassen mit unseren Newsletter.