Kuh Heide hat vor 150 Tagen gekalbt, alles ist gut. Sie gibt viel Milch, hat nach der Kalbung keine Entzündung der Gebärmutter gehabt und anscheinend auch keine anderen gesundheitlichen Probleme.
Dennoch hat sie in der ganzen Zeit trotz intensiver Brunstbeobachtung keine Brunstanzeichen gezeigt. Ob sie wohl trotzdem einen Eisprung hatte? Wäre eine Besamung möglich gewesen?
Jetzt ist guter Rat teuer, denn Heide ist eine meiner besten Kühe im Stall und ich möchte sie nicht wegen schlechter Fruchtbarkeit verlieren.
Viele Faktoren haben Einfluss auf den Zyklus
Die Wiederaufnahme des Zyklus nach der Kalbung und damit auch von Brunstanzeichen und der Ovulation (Eisprung) ist von vielen Faktoren abhängig. Hierzu zählen metabolische Störungen wie Ketose oder die negative Energiebilanz, der viele Kühe zu Beginn der Laktation unterliegen. Aber auch infektiöse Krankheiten (Gebärmutter-/ Euterentzündungen), oder Stress (Hitze /Sozialstress) nehmen starken Einfluss.
Wenn die Wiederaufnahme des Zyklus über einen längeren Zeitraum gestört ist, hat das Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit der Kuh. Spontane Brunsten bleiben aus, Konzeptionsraten sinken und Verluste von frühen Trächtigkeiten häufen sich bei diesen Tieren1. Sie als Landwirt können dahingehend in vielen Bereichen jedoch schon vorbeugend tätig werden.
Mehr zum Thema „Welche Faktoren beeinflussen die Fruchtbarkeit der Kuh“ lesen sie hier.
Brunstlosigkeit: Ein Symptom - verschiedene Ursachen
Auf der Ebene der Eierstöcke kann sich Brunstlosigkeit bzw. das Ausbleiben des Eisprunges allerdings sehr unterschiedlich darstellen. Geprägt werden diese Zustände durch unterschiedliche Störungen im Haushalt der Reproduktionshormone. Man unterscheidet hier vier Typen2:
Typ 1:
- Oft als „inaktive Ovarien“ bezeichnet
- Eierstöcke klein und einheitlich
- Brunstlosigkeit
- Follikelwachstum findet kaum statt (Follikel < 8mm)
- Ursache: Vermutlich relativer Mangel an follikelstimulierendem Hormon (FSH)
Typ 2:
- Follikelwachstum in zyklischen Wellen (≤ 15mm), aber keine Ausbildung eines ovulationsfähigen Follikels
- Eierstöcke recht klein
- Brunstlosigkeit
- Ursache: Störung in der Freisetzung von luteinisierendem Hormon (LH), Freisetzung erfolgt in Pulsen und Pulsfrequenz ist gestört
Typ 3: „Klassische Zystenkühe“
- Oft große Blasen, teilweise größer als ovulationsfähiger Follikel
- Brunstlosigkeit oder Dauerbrunst, aber kein Eisprung
- Ursache: Ausbleiben einer kurzzeitig hohen Ausschüttung von LH (LH-Peak), welcher sonst zur Ovulation führt
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Typ 4:
- Persistierender Gelbkörper / Gelbkörpergewebe
- Gelbkörper bildet sich nicht im Rahmen des normalen Zyklus zurück
- Brunstlosigkeit durch gebildetes Progesteron
- Ursache: verminderte Prostaglandin F2a-Ausschüttung aus der Gebärmutter beispielsweise durch entzündliche Prozesse
Unterschiedliche Probleme - eine Lösung
Mit Ausnahme von Typ 4, bei dem die Behandlung aus der Gabe von Prostaglandin F2a bestehen sollte, um den Gelbkörper aufzulösen, lassen sich alle anderen Typen auf eine Art behandeln:
Ein modifiziertes Synchronisationsprogramm zur Ovulation (Ov-Synch) mit Zusatz von Progesteron.
Durch den Zusatz von Progesteron im Rahmen eines solchen Ov Synch-Programms kann der zyklische Status und damit auch eine regelmäßige Brunst wiederhergestellt werden2. Zudem hat das zugeführte Progesteron einen positiven Einfluss auf die Eizell-Qualität des sich entwickelnden Follikels3 und damit auf die Konzeptionsrate zur Besamung in Folge eines Hormonprotokolls4. Eine frühzeitige Untersuchung brunstloser Tiere durch Ihren Tierarzt kann helfen, die Ursache auf Eierstockebene zu erkennen und mit der richtigen Maßnahme zu beheben.
Fazit
Eine gute Brunsterkennung ist wichtig, um Tiere tragend zu bekommen. Dennoch ist es für Sie als Landwirt genauso bedeutend Risikofaktoren zu minimieren, die den Zyklus der Kuh stören können. Das zusätzliche Wissen, welche Störungen im Hormonhaushalt welche Probleme auf Ebene der Eierstöcke verursachen, macht eine gezielte und schnelle Behandlung der Tiere in Zusammenarbeit mit Ihrem Tierarzt möglich, sodass möglichst wenig Tiere die Herde aus Gründen der Fruchtbarkeit verlassen müssen, und Sie lange mit Ihren Tieren zusammenarbeiten können.
Quellen:
1 Santos, J. E. P., R. S. Bisinotto, and E. S. Ribeiro. "Mechanisms underlying reduced fertility in anovular dairy cows." Theriogenology 86.1 (2016): 254-262.
2 Wiltbank, M. C., A. H. M. E. T. Gümen, and Roberto Sartori. "Physiological classification of anovulatory conditions in cattle." Theriogenology 57.1 (2002): 21-52.
3 Inskeep, E. K. "Preovulatory, postovulatory, and postmaternal recognition effects of concentrations of progesterone on embryonic survival in the cow." Journal of animal science 82.suppl_13 (2004): E24-E39.
4 Chebel, R. C., et al. "Supplementation of progesterone via controlled internal drug release inserts during ovulation synchronization protocols in lactating dairy cows." Journal of Dairy Science 93.3 (2010): 922-931.