Welche Maßnahmen sollten bei Aborten bei Rindern in der Praxis ergriffen werden?

Inga Oestereich

·

20.11.2024

·

5 Min. Lesezeit

Aborte bei Rindern sind ein Thema, das für viele Milchbauern nicht nur emotional belastend, sondern auch wirtschaftlich äußerst relevant ist. Wenn eine Kuh ihre Trächtigkeit verliert, steht oft viel auf dem Spiel. Ein Kalb weniger bedeutet nicht nur weniger Nachwuchs, sondern auch mögliche Ausfälle in der Milchproduktion. Darüber hinaus können Aborte ein Anzeichen für ernsthafte gesundheitliche Probleme im Bestand sein. Doch keine Panik! Es gibt klare Maßnahmen, die Sie als Landwirt ergreifen können, um die Situation zu bewältigen und zukünftige Trächtigkeitsverluste zu minimieren.

Was ist ein Abort und warum passiert er?

Ein Abort beschreibt den Verlust der Trächtigkeit vor ihrem natürlichen Ende – der Geburt. Ein Abort kann im frühen Stadium geschehen, in dem der Embryo resorbiert wird, oder später, wenn ein Fötus vorzeitig abgestoßen wird. Es gibt viele Ursachen für Aborte, die wir Ihnen detailliert in einem separaten Artikel beschrieben haben. 

Doch in vielen Fällen spielen Infektionen eine entscheidende Rolle. Hier kommen Bakterien, Viren und Parasiten ins Spiel, die nicht nur das Einzeltier betreffen, sondern im schlimmsten Fall den gesamten Bestand gefährden können.

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Sofortmaßnahmen: Was tun, wenn ein Abort passiert?

Zunächst ist es wichtig, schnell zu handeln. Sobald ein Abort auftritt, sollten Sie sich nicht allein auf den Schreckmoment konzentrieren, sondern vielmehr auf das, was jetzt getan werden muss. Denken Sie dabei immer an Hygiene und Vorsichtsmaßnahmen.

Allgemein sind Abkalbungen der Kühe Situationen, die im Betrieb mit großer Sorgfalt, Voraussicht und Professionalität begleitet werden sollten. Daher sollten schon während der Trächtigkeit die Kühe immer besonders beobachtet werden.

Kommt es dennoch zu Trächtigkeitsverlusten durch Aborte oder Totgeburten, gibt es einige Maßnahmen, die Sie umgehend ergreifen sollten:

  1. Persönlicher Schutz
    Neben den Maßnahmen zum Schutz des Bestands (siehe weiter unten) sollten Sie vor allem an Ihre eigene Gesundheit denken. Manche Erreger, die bei Aborten eine Rolle spielen, können auch Menschen infizieren (Zoonosen). Dies betrifft beispielsweise Brucellose, Leptospirose oder Q-Fieber. Tragen Sie daher immer Handschuhe und, wenn möglich, eine Maske, um sich vor diesen Erregern zu schützen. Besonders der Kontakt mit Abortmaterial kann für Menschen gefährlich werden. So wird z.B. Q-Fieber durch die Luft übertragen und besonders die Nachgeburt/Lochien sowie die damit kontaminierten Kälber sind für den Menschen potenziell hoch infektiös.
  2. Maximale Hygiene sicherstellen
    Hygiene ist das A und O. Aborte können durch eine Vielzahl von Erregern verursacht werden, die hoch ansteckend sind. Stellen Sie sicher, dass der Bereich rund um die Abkalbung sauber und keimfrei gehalten wird. Verwenden Sie geeignete Desinfektionsmittel und reinigen Sie den Abkalbeort sorgfältig. Eine unsaubere Umgebung kann dazu führen, dass sich Krankheiten weiterverbreiten und andere Kühe anstecken.
  3. Isolation der betroffenen Kuh
    Es ist wichtig, die Kuh, die einen Abort erlitten hat, sofort von der Herde zu isolieren. Dies verhindert, dass sich mögliche Infektionen auf andere Tiere ausbreiten. Mit einer schnellen Isolation haben Sie bereits einen ersten wichtigen Schritt zur Eindämmung einer möglichen Krankheit als Abortursache getan.
  4. Entsorgung der Nachgeburt und Desinfektion
    Bei einem Abort ist das ausgestoßene Material, einschließlich der Nachgeburt, häufig mit Krankheitserregern belastet. Dieses Material muss umgehend sachgerecht entsorgt werden, um eine weitere Verbreitung von Infektionen zu verhindern. Achten Sie darauf, den betroffenen Bereich gründlich zu desinfizieren. Dabei sollte der Stallbereich, in dem die Kuh abgekalbt hat, ebenfalls gereinigt und desinfiziert werden.
  5. Kontakt zu fremden Herden vermeiden
    Ein weiterer, oft unterschätzter Punkt ist der Kontakt zu fremden Herden. Dies gilt insbesondere dann, wenn Sie Tiere von anderen Betrieben gekauft oder ausgeliehen haben. Aborte können durch übertragene Infektionen entstehen, die durch den Kontakt mit fremden Tieren in den Bestand gelangen. Quarantänemaßnahmen bei Neuzugängen sind daher dringend zu empfehlen.
  6. Tierarzt hinzuziehen
    Zuletzt, aber nicht weniger wichtig: Ziehen Sie frühzeitig Ihren Tierarzt hinzu. Ein Tierarzt kann nicht nur helfen, die Ursache des Aborts zu identifizieren, sondern kann auch geeignete Maßnahmen zur Eindämmung und Prävention zukünftiger Fälle ergreifen. Manchmal ist eine Labordiagnose notwendig, um den genauen Erreger zu bestimmen. Dies ist besonders wichtig, wenn es um melde- oder anzeigepflichtige Erkrankungen geht, die möglicherweise den gesamten Bestand gefährden könnten.

Diagnostik und Erregerbekämpfung

Wie bereits erwähnt, ist die Labordiagnose eine wesentliche Maßnahme bei einem Abort. Eine genaue Untersuchung von Nachgeburt/Lochien oder Proben der betroffenen Kuh kann Aufschluss darüber geben, ob ein Erreger für den Trächtigkeitsverlust verantwortlich ist und wenn ja welcher. Manche Infektionen, wie BVD oder Brucellose, sind anzeigepflichtig. Anzeigepflicht heißt, schon der Verdacht muss gemeldet werden. Wenn ich erst den positiven Befund melde, bin ich zu spät und es vergeht wertvolle Zeit, in der die Herde ungeschützt ist. Andere Krankheiten, wie Q-Fieber, sind meldepflichtig und sollten aber dennoch ernst genommen werden.

Je nach Erregerart benötigt der Tierarzt zur Diagnostik, d.h. zum Erreger oder Antikörpernachweis folgende Abortmaterialien:

  • Abortmaterial
  • fetales Organmaterial
  • Nachgeburt
  • Lochialflüssigkeit
  • Cervixtupfer
  • Blut
  • Milch

Die Tierärzte nehmen eine Blutprobe

Sobald der Erreger identifiziert ist, können gezielte Maßnahmen ergriffen werden, um den Ausbruch zu kontrollieren. Dies kann eine Impfung des Bestands, eine Antibiotikabehandlung oder auch strenge Quarantäne- und Hygienemaßnahmen umfassen.

Prävention von Trächtigkeitsverlusten

Leider können Sie als Tierhalter nicht jeden Trächtigkeitsverlust vermeiden, doch es gibt einige Maßnahmen, die das Risiko erheblich reduzieren.

  • Regelmäßige Gesundheitschecks: Regelmäßige Untersuchungen der trächtigen Kühe können helfen, potenzielle Probleme frühzeitig zu erkennen. Dies umfasst sowohl Ultraschalluntersuchungen als auch Bluttests, um den Gesundheitszustand der Kuh zu überwachen.
  • Hygienemanagement: Ein sauberer und hygienischer Stall ist der beste Schutz vor Infektionen und auch für das neugeborene Kalb. Achten Sie darauf, dass der Abkalbebereich stets desinfiziert und kontaminiertes Material sicher entsorgt wird.
  • Impfprogramme: Impfungen sind ein wirksames Mittel, um Infektionen vorzubeugen. Sprechen Sie mit Ihrem Tierarzt über ein Impfprogramm, das auf die spezifischen Gegebenheiten Ihres Bestands zugeschnitten ist. Eventuell kommen auch bestandsspezifische Impfstoffe in Betracht, die aus Erregern hergestellt werden, die aus einem Tierbestand isoliert wurden. Mehr dazu lesen Sie in: Bestandsimpfstoff für Kühe - die ideale Lösung für Ihr Bestandsproblem?
  • Stressvermeidung: Stress kann bei Kühen zu einer Schwächung des Immunsystems führen, was das Risiko von Aborten erhöht. Achten Sie auf eine stressfreie Umgebung für Ihre trächtigen Kühe, insbesondere in den letzten Monaten der Trächtigkeit.

Fazit

Trächtigkeitsverluste bei Rindern sind eine ernste Angelegenheit, die schnelles und umsichtiges Handeln erfordern. Durch die Einhaltung grundlegender Hygienemaßnahmen, die Isolation betroffener Tiere und den frühzeitigen Einsatz eines Tierarztes können Sie das Risiko weiterer Verluste minimieren. Präventive Maßnahmen wie Impfprogramme, regelmäßige Gesundheitschecks und ein gutes Management sind der Schlüssel, um Aborte zu verhindern. Denken Sie daran: Jeder Abort bietet die Möglichkeit, durch Erkenntnisse zukünftige Verluste zu verhindern. Bleiben Sie also wachsam und professionell – Ihre Kühe und Ihr Betrieb werden es Ihnen danken!

 

Quellen:

https://www.lufa-nord-west.de/index.cfm/article/1931.html

Fehlgeburten beim Rind und ihre vielseitigen Ursachen | Landwirtschaftskammer Salzburg

 

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