- Fruchtbarkeit beim Rind
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Der Ceva Blog für Rindergesundheit
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Traurig gehe ich aus dem Stall. Bei meinem morgendlichen Rundgang fiel mir gleich auf, dass mit meiner Lieblingskuh Frieda etwas nicht stimmte. Vor 5 Monaten hatten wir sie erfolgreich besamen lassen und nun finde ich neben ihr einen toten Fetus. Ich hole mir Handschuhe und sperre vorsorglich den Hund weg. Vor ein paar Monaten waren wir schon einmal von Verkalbungen betroffen, aber nun mache ich mir wirklich Gedanken. Laut Artikel 129 der Tierseuchenverordnung muss jeder Abort von Rindern, länger als drei Monate trächtig waren, einem Tierarzt gemeldet werden, habe ich nach den letzten Aborten erfahren. Da der Tierarzt heute eh zum Impfen vorbeikommt, werde ich mit ihm der Sache auf den Grund gehen.
Welche Arten von Trächtigkeitsverlusten sind zu unterscheiden und wie sind sie zeitlich einzuordnen? Welche Ursachen es gibt, dass eine Kuh nicht tragend wird bzw. nicht tragend bleibt, und wie man sie erkennen kann, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Auf unserem Hof bezeichnen wir alle Trächtigkeitsverluste allgemein als „Abort“. Wie ich bei meiner Recherche jedoch lernte, ist eine zeitliche Einordung der Fälle notwendig, um später die richtigen Maßnahmen ergreifen zu können. Zunächst einmal die korrekte Definition: Eine Fehlgeburt (=Abort) ist der Abbruch einer Trächtigkeit mit Ausstoßung eines unreifen, nicht lebensfähigen Fetus. Die normale Trächtigkeitsdauer einer Kuh beträgt ca. 280 Tage. Wir unterscheiden daher vier Kategorien von Trächtigkeitsverlusten:
Grundsätzlich kann man einzelne Trächtigkeitsverluste niemals zu 100 Prozent verhindern. Dennoch sollte jeder Trächtigkeitsverlust untersucht werden, wie mir mein Tierarzt angeraten hat. Wenn sogar mehrere Fälle auftreten, so wie in meinem Fall, muss unbedingt genauer geprüft werden, was die Ursachen sind!
Ab wann man von einem krankhaften Auftreten von Aborten spricht, woran Sie diese erkennen und vieles mehr, erfahren Sie in der Arbeitsanleitung „Aborte“ in den Sprachen Englisch, Rumänisch, Bulgarisch und Polnisch übersetzt hier zum Download.
Wie viele embryonale Todesfälle, Früh- und Spät-Aborte oder Totgeburten sind denn eigentlich “normal”? In einer Fachveröffentlichung von 2008 wurde als allgemein anerkannt festgelegt, dass die Befruchtungsrate bei Rindern (Holstein Friesian) bei 90 % liegt2, die Kalberate dagegen nur bei 40 %. Bei 100 besamten Kühen klappte bei 10% die Besamung nicht, 40% brachten ein gesundes Kalb zur Welt, 43% zeigten embryonale Todesfälle (in den ersten 6 Wochen) und 7% Aborte (nach der 6. Woche). 3 bis 7 Aborte auf 100 Kühe sind somit normal.
Jeder Trächtigkeitsverlust bedeutet auch einen wirtschaftlichen Schaden. So können sich die Kosten je nach Stadium der Trächtigkeit schnell zwischen 400 bis 1000 Euro betragen. Schauen wir uns nun genau die Ursachen an, die zu einem Trächtigkeitsverlust führen können.
1. Mangelnde FutterqualitätDie richtige Ernährung ist das A & O für eine stabile Trächtigkeit und eine erfolgreiche Geburt. Je nach Zusammensetzung und Energiegehalt des Futters werden Stoffwechsel und Hormonprozesse in der Kuh beeinflusst und haben direkte Folgen auf das Milieu in Eileiter und Uterus und somit auch direkt auf den Embryo. Das wichtigste Kriterium ist der Energiestatus der Mutterkuh. Ist die Energiebilanz der Mutter negativ, hat das weitreichende Konsequenzen auf den Embryo bzw. den Fötus, deshalb sollten Sie auf keinen Fall den Energiegehalt des Futters im Zeitraum der Besamung und in den ersten 6 Wochen reduzieren3.
Tipp: Lesen Sie auch folgenden Blogartikel zum Thema Welche Faktoren beeinflussen die Fruchtbarkeit der Kuh
2. Stress und Verletzungen
Stress ist weder für Mensch noch Tier gut. Hoher Stress im Betrieb durch mangelhafte Haltungsbedingungen wie beispielsweise zu kleine oder zu wenige Ablagemöglichkeiten, enge Gänge oder auch Verletzungen der Kuh z.B. durch Rangkämpfe, können ebenfalls Trächtigkeitsverluste verursachen. Zu Stressfaktoren zählen aber auch hohe Temperaturen4. Sogenannter Hitzestress hat nicht nur Auswirkung auf die Reproduktionsleistung, sondern ist auch ein Grund für frühe Trächtigkeitsverluste. Als guter Indikator für Hitzestress bei Rindern hat sich der THI – Temperature-Humidity-Index – bewährt, der aus der Umgebungstemperatur und dem Wasserdampfgehalt der Lust berechnet wird. Es gibt tolle Tabellen mit Ampelfarben, auf denen man das Stressniveau ablesen kann. Kurz gesagt, je höher die Luftfeuchtigkeit und auch die Temperatur, desto stressiger wird es für die Tiere. Bei Hitze (wie auch bei Fieber) steigt die Körpertemperatur an und beeinflusst die Zellfunktionen, sodass die Entwicklungsfähigkeit der Embryonen eingeschränkt ist5. Zusätzlich findet eine Umverteilung des Blutes in die Peripherie des Körpers statt und die Plazenta wird weniger durchblutet. Dies kann tödlich sein für den noch kleinen Embryo. Hier gibt es aber eine einfache Lösung. Für alle Tiere, die sich während dieser Zeit im Stall befinden: Ventilatoren! Für trächtige Kühe auf der Weide hilft Schatten und Beregnung, um Hitzestress zu reduzieren und Trächtigkeitsverlusten vorzubeugen6. Ich sehe mich schon mit dem Gartenschlauch stehen und meine Kühe nass spritzen.
Lesetipp:
Hitzestress im Kuhstall - die wichtigsten Maßnahmen
Stress - Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit
3. Giftstoffe
Gelangen z.B. über das Futter Giftstoffe in den mütterlichen Organismus, so hat das verheerende Auswirkungen auf die embryonale Entwicklung. Je nach Art des Toxins, dessen Konzentration, sowie dem Zeitpunkt und der Dauer der Aufnahme während der Trächtigkeit, kann es lediglich zu Entwicklungsstörungen kommen oder aber auch zum embryonalen Tod bzw. Abort. Zu den Stoffen, deren embryotoxische Wirkung bei Wiederkäuern nachgewiesen ist, zählen zum Beispiel:
Fragen Sie sich jetzt auch, was struminogene Inhaltsstoffe sind? Sie entstehen, wenn Pflanzen beschädigt werden, z.B. wenn sie geschnitten oder gekaut werden. Struminogene Stoffe, auch Goitrogene genannt, führen zu Veränderungen der Schilddrüse. Erstmalig wurde der Zusammenhang zwischen Goitrogenen und der Schilddrüsenfunktion 1928 nachgewiesen, als Wissenschaftler bei Kaninchen, die frischen Kohl aßen, eine Vergrößerung der Schilddrüse beobachteten. Übrigens Achtung, auch bei Menschen gibt es diese Wirkung.
Achten Sie deshalb genau darauf, was Ihre Kühe fressen. Tabak wird in Deutschland zwar nur selten angebaut, Lupinen und Leguminosen dagegen schon häufiger und Getreide ist ein gängiges Futtermittel. Hier lohnt sich ein Blick schon beim Anbau, ob nicht doch ein Fungizid eingesetzt werden sollte.
Überprüfen Sie genau, ob Sie Ihre Kühe erneut besamen, wenn die erste Besamung nicht erfolgreich schien. Gerade zu Beginn einer Trächtigkeit ist das Risiko besonders hoch, einen falsch-negativen Befund zu erhalten, insbesondere bei Tastuntersuchungen zur Trächtigkeitsbestimmung. Behalten Sie im Hinterkopf, dass die Prostaglandine im Sperma auch zu Aborten führen können. Wählen Sie beispielsweise lieber eine Trächtigkeitsuntersuchung mittels Ultraschalls.
4. Genetik und Missbildungen
Wie bei allen Lebewesen kann es auch bei Rindern zu chromosomalen Anomalien und damit zu Missbildungen, Aborten und Totgeburten kommen. Auch angeborene Erbfehler können zu Aborten führen.
5. Hormone
Nicht nur bei uns Menschen spielen die Hormone eine wichtige Rolle bei der Fruchtbarkeit und Schwangerschaft. Das ist auch bei Kühen so. Das Hormon Progesteron nimmt bei der Trächtigkeit eine Schlüsselrolle ein. Es unterstützt die befruchtete Eizelle bei der Einnistung in der Gebärmutter und bei der Erhaltung der Trächtigkeit7. Sowohl im Zyklus vor8 als auch nach der Besamung9 führen niedrige Progesteron-Werte zu negativen Auswirkungen auf die Trächtigkeit. Sie können also durch Progesteron-Supplementierung die Entwicklung des Embryos verbessern10 und die Trächtigkeitsrate steigern11. In einer Studie11 wurde Progesteron vor dem 6. Tag nach der Besamung verabreicht, was zu einer Zunahme von 10 % in der Trächtigkeitsrate führte. Liegt ein Progesteron-Mangel vor, kann es zu embryonaler Mortalität kommen.
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Progesteron – der Schlüssel im Fruchtbarkeitsmanagement bei Mutterkühen
Progesteron bei Kühen – Funktionen und therapeutischer Einsatz
6. Infektionskrankheiten
Eine sehr ernste Ursache für Trächtigkeitsverluste sind die verschiedensten Infektionen durch Bakterien, Viren, Protozoen und Pilze. Für viele Infektionen stehen bereits Impfstoffe zur Verfügung, sodass der Bestand vorbeugend geschützt werden kann. In der Praxis problematisch sind Erkrankungen, gegen die es keine Impfung gibt.
Ich habe gelernt, dass ich bei Aborten und Totgeburten immer meinen Tierarzt hinzuziehe, am besten auch vor dem 3. Trächtigkeitsmonat, sofern ich ihn zu diesem Zeitpunkt erkennen konnte! Es ist wichtig, die Ursachen für die Trächtigkeitsverluste genau zu bestimmen, um mögliche Ausbreitungen von Infektionen im Bestand zu verhindern, Zoonosen zu vermeiden und im Betrieb die passenden vorbeugenden Maßnahmen umzusetzen.
Um den richtigen Auslöser für den Trächtigkeitsverlust zu ermitteln und viele weitere Informationen zum Thema Aborte erfahren Sie in der Arbeitsanleitung „Aborte“ in den Sprachen Englisch, Rumänisch, Bulgarisch und Polnisch übersetzt hier zum Download
Quellen:
1 López-Gatius, F., Santolaria, P., Yániz, J.L., Garbayo, J.M., Hunter, R.H.F. (2004b) Timing of early fetal loss for single and twin pregnancies in dairy cattle. Reprod. Dom. Anim. 39, 429-433
2 Diskin, M.G., Morris, D.G. (2008) Embryonic and early fetal losses in cattle and other ruminants. Reprod. Dom. Anim. 43, 260-267
3 Busch, W., Zerobin, K. (2009) Fruchtbarkeitskontrolle bei Groß- und Kleintieren. Kapitel 2: Physiologie und Pathophysiologie der Fortpflanzungsregulation, Kapitel 4: Fruchtbarkeitskontrolle beim Rind. Studienauflage der 1. Ausgabe 1995. Enke Verlag, Stuttgart, 40-51, 71- 212
4 López-Gatius, F., Santolaria, P., Yániz, Rutllant, J., López-Béjar (2002) Factors affecting pregnancy loss from gestation day 38 to 90 in lactating dairy cows from a single herd. Theriogenology 57: 1251-1261
5 Ealy, A.D., Howell, J.L., Monterroso, V.H., Aréchiga, C.F., Hansen, P.J. (1995) Developmental changes in sensitivity of bovine embryos to heat shock and use of antioxidants as thermoprotectants. J. Anim. Sci. 73, 1401-1407
6 Hansen, P.J., Aréchiga, C.F. (1999) Strategies for managing reproduction in the heat-stressed dairy cow. J. Anim. Sci. 77, Suppl. 2/J
7 Inskeep, E.K. (2004) Preovulatory, postovulatory, and postmaternal recognition effects of concentrations of progesterone on embryonic survival in the cow. J. Anim. Sci. (E. Suppl.): 24-39
8 Spencer, T.E., Johnson, G.A., Burghardt, R.C., Bazer, F.W. (2004) Progesterone and placental hormone actions on the uterus: insights from domestic animals. Biol. Reprod. 71, 2-10
9 Diskin, M.G., Murphy, J.J., Sreenan, J.M. (2006) Embryo survival in cows managed under pastoral conditions. Anim. Reprod. Sci. 96, 297-311
10 McNeill, R.E., Diskin, M.G., Sreenan, J.M., Morris, D.G. (2006) Associations between milk progesterone concentration on different days and with embryo survival during the early luteal phase in dairy cows. Theriogenology 65: 1435-1441
11 Garrett, J.E., Geisert, R.D., Zavy, M.T., Morgan, G.L. (1988) Evidence for maternal regulation of early conceptus growth and development in beef cattle. J. Reprod. Fert. 84, 437-446