Virus und Kühe und Bullen

Bakterien, Viren & Co.: Welche Infektionen können für Trächtigkeitsverluste beim Rind verantwortlich sein?

Inga Oestereich

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12.11.2024

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8 Min. Lesezeit

Die Gesundheit der Herde, allen voran die der trächtigen Kühe, steht für jeden Milchbauern im Mittelpunkt. Ein häufiges und besonders frustrierendes Problem für Tierärzte und Landwirte sind Trächtigkeitsverluste beim Rind. Diese können durch eine Vielzahl von Faktoren verursacht werden, wie ich im Blogartikel „Trächtigkeitsverluste bei Rindern – Welche Ursachen und Erreger führen zu Aborten“ schon beschrieben habe. Infektionen spielen dabei eine besondere Rolle. In diesem Artikel möchte ich Ihnen einen Überblick darüber geben, welche Erreger Aborte oder frühe embryonale Verluste auslösen können und warum es so wichtig ist, diese zu erkennen und zu verhindern.

Aborte – Ein Warnsignal, das nicht ignoriert werden sollte

Stellen Sie sich vor: Die Besamung einer Ihrer besten Kühe im Stall war erfolgreich. Nur noch wenige Wochen und dann soll das Kälbchen da sein. Aber plötzlich, wie aus dem Nichts heraus, erleidet sie einen Abort. Das ist nicht nur emotional belastend, sondern kann auch hohe wirtschaftliche Verluste verursachen. Wenn es dann noch zu mehreren Aborten in kurzer Zeit kommt, sollte Ihr erster Schritt immer der Anruf bei Ihrem Tierarzt sein. Oft liegt hier eine Infektion im Tierbestand vor, die sich rasch ausbreiten kann. In diesem Fall ist es unbedingt notwendig, die genauen Erreger festzustellen, da eine Ausbreitung von Infektionen auch den gesamten Bestand gefährden kann.

Aber damit nicht genug: Einige Erreger lösen Zoonosen aus, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden können (Corona lässt grüßen). Insbesondere Abortmaterial, Nachgeburten, Fruchtwasser etc. können sehr hohe Erregerlasten in sich tragen und bei Kontakt auch den Menschen infizieren.

Wichtige Abort-Erreger im Überblick:

Wir haben eine Übersicht über die bekanntesten infektiösen Ursachen von Aborten zusammengestellt, inklusive Übertragungsweg, sowie des Zeitpunktes des Trächtigkeitsverlustes. Achtung! Viele der Infektionen sind im Rahmen der Tierseuchenbekämpfung anzeige- oder meldepflichtig!

Exkurs: anzeigepflichtig vs. meldepflichtig 

In Deutschland unterscheidet man zwischen anzeigepflichtigen und meldepflichtigen Tierseuchen gemäß dem Tiergesundheitsgesetz (TierGesG). Anzeigepflichtige Tierseuchen sind besonders gefährlich, ihre Bekämpfung erfolgt durch staatliche Maßnahmen. Sie müssen unverzüglich den Behörden gemeldet werden (§ 6 TierGesG), dabei ist bereits der bloße Verdacht der Krankheit anzeigepflichtig. Meldepflichtige Tierseuchen hingegen müssen nur statistisch erfasst werden, um deren Verbreitung zu überwachen, damit geeignete Bekämpfungsmaßnahmen frühzeitig eingeleitet werden können, wenn die Seuchensituation dies erforderlich macht (§ 26 TierGesG). Hierzu zählen Erkrankungen wie Q-Fieber.

Bakterien

  • Bovine Genitale Campylobacteriose  verursacht durch Campylobacter fetus spp.(anzeigepflichtig)
    Übertragung: Venerisch/sexuell übertragen, Kontakt mit infizierten Instrumenten, Einstreu oder anderen infizierten Tieren
    Zeitpunkt des Trächtigkeitsverlustes: Früher embryonaler Tod sowie Aborte zwischen 4.-7. Trächtigkeitsmonat
    Sonstiges: Kuh kann 3-5 Monate lang unfruchtbar bleiben, danach Immunität
  • Q-Fieber  verursacht durch Coxiella burnetii (meldepflichtig)
    Übertragung: Insb. durch Fruchtwasser und Nachgeburt, über Milch, Urin und Kot, z.T. über Zecken und Wildtiere, durch kontaminierte Kleidung oder Gegenstände
    Zeitpunkt des Trächtigkeitsverlustes: Aborte; zu früh, zu früh, lebensschwach oder tot geborene Kälber, selten embryonaler Tod
    Sonstiges: als Zoonose-Erreger auch für Menschen ansteckend
  • Leptospirose verursacht durch Leptospira spp. (meldepflichtig)
    Übertragung: Kontakt mit infiziertem Harn, Milch, Fruchtwasser
    Zeitpunkt des Trächtigkeitsverlustes: Fruchtbarkeitsstörungen, Aborte ab 4. Monat, Totgeburten, Geburt lebensschwacher Kälber
    Sonstiges: als Zoonose-Erreger auch für Menschen ansteckend
  • Chlamydiose verursacht durch Chlamydophila spp. (meldepflichtig)
    Übertragung: Durch Abortmaterialien Fruchtwasser, Nachgeburt, Milch, Harn, Kot
    Zeitpunkt des Trächtigkeitsverlustes: Aborte und Fruchtbarkeitsstörungen
    Sonstiges: als Zoonose-Erreger auch für Menschen ansteckend, kann bei schwangeren Frauen zu Fehlgeburten führen
  • Rinder-Salmonellose, Salmonellen-Enteritis verursacht durch Salmonella spp. z.B. S. Dublin, S. typhimurium, S. paratyphi, S. enteritidis (anzeigepflichtig)
    Übertragung: Durch infizierte Tiere, über Wasser, Futter oder auch durch Menschen, durch Wilde Nagetiere oder andere Haustiere als Verbreiter oder Erregerreservoir
    Zeitpunkt des Trächtigkeitsverlustes: Aborte
    Sonstiges: als Zoonose-Erreger auch für Menschen ansteckend
  • Brucellose verursacht durch Brucella abortus/spp. (anzeigepflichtig)
    Übertragung: Sexuell, oral, durch infizierte Nachgeburten und Aborte, über Milch, Harn, Kot, Nasensekret
    Zeitpunkt des Trächtigkeitsverlustes: Aborte
    Sonstiges: Sehr gefährliche Zoonose, Bekämpfung über Brucellose-Verordnung

Viren

  • Infektiöse Bovine Rhinotracheitis IBR / Infektiöse Pustulöse Vulvovaginitis IPV verursacht durch Bovines Herpesvirus 1 (BHV1) (anzeigepflichtig)
    Übertragung: Sexuell übertragbar, Kontakt mit Schleimhäuten des oberen Respirationstraktes, des Auges, Genitalbereich, Totgeburten
    Zeitpunkt des Trächtigkeitsverlustes: Aborte zw. dem 6. und 8. Trächtigkeitsmonat, meist mit respiratorischer Form assoziiert; früher embryonaler Tod, krank geborene Kälber
    Sonstiges: Verkürzte Zyklen von etwa 12 Tage Dauer
  • Bovine Virusdiarrhoe BVD / Mucosal disease MD, verursacht durch das Pestvirus Bovines virales Diarrhoe-Virus (BVD) (anzeigepflichtig)
    Übertragung: Inhalation und Aufnahme kontaminierten Materials
    Zeitpunkt des Trächtigkeitsverlustes: Je nach Infektionszeit kommt es zu Fruchtbarkeitsstörungen, embryonaler Tod, persistent infizierte Kälber, Kälber mit angeborenen Defekten
  • Blauzungenkrankheit, BTV, verursacht durch Orbivirus aus der Familie der Reoviridae (anzeigepflichtig)
    Übertragung: Über Culicides ssp. (Gnitzen)
    Zeitpunkt des Trächtigkeitsverlustes: Bei Infektion während der ersten 100 Tage der Trächtigkeit: Resorption und Abort

Protozoen

  •  Trichomonadenseuche, Tritrichomoniasis verursacht durch Tritchomonas fetus (anzeigepflichtig)
    Übertragung: Sexuell
    Zeitpunkt des Trächtigkeitsverlustes: Früher embryonaler Tod durch Resorption und/oder Mumifizierung zwischen dem 21. und 100. Trächtigkeitstag, Aborte in der 1. Trächtigkeitshälfte
  • Neosporose verursacht durch Neospora caninum
    Übertragung: Durch Aufnahme sporulierte Oozysten z.B. im Hundekot
    Zeitpunkt des Trächtigkeitsverlustes: Aborte im 2. Drittel der Trächtigkeit, Fruchtbarkeitsstörungen, Kälber infiziert
    Sonstiges: Rind ist Zwischenwirt, bleibt lebenslang infiziert

Warum eine genaue Diagnose entscheidend ist

Sie sehen, die Liste der Erreger, die zu Trächtigkeitsverlusten führen können, ist lang. Und jede dieser Infektionen erfordert ein spezifisches Vorgehen. Gerade wenn mehrere Aborte in kurzer Zeit auftreten, ist es unerlässlich, die genaue Ursache zu ermitteln. Nur so können gezielte Maßnahmen ergriffen werden, um den Ausbruch einzudämmen und Ihren Bestand zu schützen. Ein regelmäßiges Monitoring und Hygienemaßnahmen sind das A und O.

Fazit

Infektionen wie Bakterien, Viren und Protozoen sind häufige Ursachen für Trächtigkeitsverluste beim Rind. Als Landwirt ist es wichtig, diese Risiken zu kennen und schnell zu handeln, wenn es zu Problemen kommt. Nicht nur der Bestand, sondern auch Ihre eigene Gesundheit kann durch bestimmte Zoonosen gefährdet sein. Daher sollten Sie bei Aborten immer schnell den Tierarzt hinzuziehen und eine genaue Diagnose stellen lassen.

Bleiben Sie informiert und achten Sie auf Warnzeichen – so schützen Sie sowohl Ihre Tiere als auch sich selbst!

Zum Thema Zoonose finden Sie auch folgende Ceva Blog Artikel:

Aufklärungskampagne von Ceva - Zoonosen aus dem Kuhstall 

Vom harmlosen Hautausschlag bis hin zur Fehlgeburt – Vorsicht vor Zoonosen! (ceva.pro)

 

 

Quellen:

https://flexikon.doccheck.com/de/Chlamydiose_%28Rind%29

Tiergesundheit: Neospora caninum: Aborterreger beim Rind (bayern.de)

FINAL_E_coli_Klebsiellen_und_Citrobacter._2022.pdf (tgd-bayern.de)

4 Vanroose, G., de Kruif, A., Van Soom, A. (2000) Embryonic mortality and embryo-pathogen interactions. Anim. Reprod. Sci. 60-61: 131-143

5 Givens, M.D., Marley, M.S.D. (2008) Infectious causes of embryonic and fetal mortality. Theriogenology 70: 270-285

6 BonDurant, R.H. (2007) Selected diseases and conditions associated with bovine conceptus loss in the first trimester. Theriogenology 68, 461-473

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