Mal ehrlich: Krankheiten im Stall sind der Albtraum jedes Milchviehhalters. Sie kommen plötzlich, ziehen die Milchproduktion runter – und kosten Nerven, Tierleid und Geld. Impfungen gehören zu den effektivsten Maßnahmen im Kampf gegen Infektionskrankheiten in der Nutztierhaltung. Sie schützen nicht nur das einzelne Tier, sondern tragen wesentlich zur Bestands- und Herdengesundheit bei. Krankheiten wie Rinderpest oder BVD konnten durch konsequente Impfprogramme nahezu oder vollständig eliminiert werden. Doch obwohl die Impfstoffe sicher und effektiv sind, bestehen oft noch Unsicherheiten über ihre Wirkweise, den richtigen Einsatzzeitpunkt und ihre Grenzen.
Dieser Beitrag gibt einen umfassenden Überblick – wissenschaftlich fundiert, aber praxisnah erklärt.
Warum überhaupt impfen?
Die Vorteile von Impfungen in der Tierhaltung sind vielfältig:
- Reduziertes Tierleid: Krankheitsverläufe sind milder, viele Infektionen verlaufen symptomlos.
- Weniger Todesfälle: Besonders bei Jungtieren oder trächtigen Kühen ist das essenziell.
- Vermeidung wirtschaftlicher Verluste: Durchgängige Produktionszyklen ohne Ausfälle.
- Weniger Antibiotikaeinsatz: Impfungen verringern die Notwendigkeit medikamentöser Behandlungen.
- Schutz vor Zoonosen: Impfungen reduzieren auch das Risiko, dass Krankheiten auf den Menschen überspringen (z. B. Q-Fieber oder Trichophytie).
Was passiert bei einer Impfung im Körper des Tieres?
Die Impfung stellt einen kontrollierten Kontakt mit dem Erreger dar – allerdings in einer Form, die keine Krankheit auslöst. Dabei unterscheidet man zwei Formen der Immunität:
- Angeborene, unspezifische Immunität: Sie reagiert schnell, aber unspezifisch – z. B. mit Fresszellen oder Entzündungen.
- Erworbene, spezifische Immunität: Diese entwickelt sich nach Kontakt mit einem Erreger und „merkt“ sich diesen. Sie ist trainierbar und kann bei erneutem Kontakt schneller und effektiver reagieren.
Bei der Impfung bilden sich sogenannte Gedächtniszellen, sowohl auf der Seite der Antikörper-produzierenden B-Zellen als auch bei den T-Lymphozyten. Diese Zellen sorgen dafür, dass der Körper bei einer erneuten Infektion blitzschnell reagiert und den Erreger unschädlich macht.
Humorale und zelluläre Abwehr – beide sind wichtig
- Die humorale Abwehr ist verantwortlich für die Bildung von Antikörpern durch B-Zellen. Sie bekämpft Krankheitserreger im Blut und in Körperflüssigkeiten.
- Die zelluläre Abwehr ist entscheidend bei intrazellulären Erregern (z. B. Viren). Hier zerstören T-Zellen infizierte Körperzellen direkt.
Je nach Impfstofftyp wird die eine oder andere Immunantwort stärker aktiviert – ein entscheidender Faktor bei der Auswahl des richtigen Impfstoffs.

Impfstofftypen im Vergleich
1. Lebendimpfstoffe (attenuiert)
Diese Impfstoffe enthalten vermehrungsfähige, aber abgeschwächte Erreger. Sie ahmen eine echte Infektion nach, ohne eine Krankheit auszulösen. Dadurch wird eine starke humorale und zelluläre Immunantwort erzeugt.
Vorteile:
- Oft genügt eine Dosis
- Schneller Schutz
- Länger anhaltende Immunität
- Bessere Kreuzimmunität, da der Körper viele Antigenstrukturen des Erregers kennenlernt
Nachteile:
- Können bei immungeschwächten oder sehr jungen Tieren leichte Infektionen auslösen
- Strenge Lagerung notwendig (Kühlkette!)
- Sehr kurze Haltbarkeit nach Anbruch der Impfstoffflasche
2. Inaktivierte (Tot-)Impfstoffe
Diese enthalten abgetötete Erreger oder nur deren Bestandteile (z. B. Toxine, Bruchstücke). Sie lösen nur eine humorale Immunantwort aus. Daher sind meist zwei oder mehr Impfungen nötig, oft mit Adjuvans.
- Sicherer bei Risikotieren
- Länger haltbar
- Geringere Nebenwirkungen
Nachteile:
- Schutzwirkung ist schwächer und kürzer
- Schutz gegen nur eine Erregervariante, weniger Kreuzimmunität
3. Weitere Impfstofftypen
- Toxoid-Impfstoffe: Schutz gegen die Gifte von Bakterien (z. B. von Clostridium perfringens)
- Subunit- oder Vektorimpfstoffe: Nur einzelne, immunrelevante Bestandteile werden injiziert – besonders sicher, aber oft teuer und weniger verbreitet
- Genetische Impfstoffe (DNA/RNA): In der Humanmedizin (z. B. COVID-19) etabliert, in der Nutztierhaltung noch nicht zugelassen
Weitere Informationen zu Tot- und Lebendimpfstoffen lesen Sie hier: Welchen Impfstoff mag die Kuh – tot oder lebendig?
Was sind Adjuvanzien – und warum braucht man sie?
Adjuvanzien sind Verstärkerstoffe, die die Immunreaktion auf den Impfstoff verbessern. Sie sorgen dafür, dass das Antigen länger im Körper bleibt (Depotwirkung), regen T-Zellen an und erhöhen die Antikörperproduktion.
Mutterschutzimpfung: Schutz beginnt vor der Geburt
Ein besonders bewährter Ansatz in der Rinderhaltung ist die Impfung tragender Kühe gegen Durchfall- und Atemwegserreger (Rindergrippe- und Durchfallerreger). Ziel: Die Mutter bildet Antikörper, die über das Kolostrum auf das Kalb übertragen werden. Dieser sogenannte passive Schutz ist für das Kalb überlebenswichtig, bis es selbst Impfungen erhalten kann.

Mögliche Nebenwirkungen
Impfungen sind im Allgemeinen gut verträglich, dennoch können in seltenen Fällen unerwünschte Reaktionen auftreten. Diese lassen sich in drei Gruppen einteilen:
Lokale Reaktionen:
- Schwellung oder Rötung an der Einstichstelle sind mögliche Reaktionen des Gewebes auf die Impfung.
Systemische Effekte:
- In manchen Fällen zeigen die Tiere Fieber oder eine vorübergehende Appetitlosigkeit als Reaktion auf die Aktivierung des Immunsystems.
Selten:
- Allergische Reaktionen – beispielsweise gegen Bestandteile wie Adjuvanzien – können auftreten, kommen aber sehr selten vor.
Neben diesen Reaktionen sind auch Fehlerquellen zu beachten, die nichts mit dem Impfstoff selbst zu tun haben, aber dennoch unerwünschte Effekte hervorrufen können. Dazu zählen vor allem die falsche Lagerung des Impfstoffs (z. B. außerhalb des empfohlenen Temperaturbereichs) sowie eine unsaubere Injektionstechnik, bei der Keime in das Gewebe gelangen können. Beide Faktoren können die Wirksamkeit beeinträchtigen oder Komplikationen verursachen.
Einige dieser Reaktionen sind ganz normal und zeigen, dass das Immunsystem auf die Impfung anspricht – sie gehören zur natürlichen Abwehrreaktion des Körpers.
Warum Impfstoffe manchmal nicht wirken – oder nur teilweise
Ein korrekt angewendeter Impfstoff schützt in der Regel sehr gut. Dennoch gibt es Situationen, in denen der Impfschutz ausbleibt:
- Fehler bei Lagerung oder Anwendung des Impfstoffes
- Unpassender Impfzeitpunkt
- Stress oder Immunsuppression des Tiers
- Maternale Antikörper bei Jungtieren, die eine aktive Immunantwort blockieren
- Erregerdruck zu hoch – die Immunabwehr wird überfordert
- Falscher Erregerstamm im Feld – Impfstoff deckt nicht die im Betrieb vorkommende Virus- oder Bakterienvariante ab.
Ein „Impfdurchbruch“ bedeutet also nicht, dass die Impfung nutzlos war. Oft hat sie die Krankheitslast gesenkt oder einen vollständigen Ausbruch verhindert.
Fazit: Impfen lohnt sich – mit dem richtigen Wissen noch mehr
Moderne Impfstoffe sind sicher, wirkungsvoll und wirtschaftlich sinnvoll. Die Wahl des Impfstoffes sollte jedoch wohlüberlegt sein und zur Tiergruppe, zur Seuchensituation und zum Bestandsziel passen. Der richtige Impfzeitpunkt, eine korrekte Lagerung und Durchführung der Impfung sowie regelmäßige Auffrischungen entscheiden über den Impferfolg.
Landwirte sollten eng mit ihrem Tierarzt zusammenarbeiten, um einen individuellen Impfplan zu erstellen – abgestimmt auf Tierart, Alter, Produktionsziel und Erregersituation im Betrieb.
Mit der richtigen Impfstrategie lassen sich Krankheiten wirksam kontrollieren – und das Tierwohl wie auch die Wirtschaftlichkeit in der Landwirtschaft langfristig sichern.
Wenn Sie mehr über Impfstoffe für Nutztiere erfahren möchten, klicken Sie auf den folgenden Link: Grundlagen der Impfung von Rindern.