Was machen, wenn die Rinder an einer Augenentzündung erkrankt sind und kein Impfstoff verfügbar ist?
Meine Kalbinnen haben Warzen am Euter und sind so nicht als Milchkühe nutzbar.
Meine Milchkühe haben immer wieder Euterentzündungen. Was kann ich vorbeugend tun?
Auf diese Fragen könnte ein bestandsspezifischer Impfstoff die Lösung sein. Bis es so weit ist, gilt es jedoch die rechtlichen Voraussetzungen zu prüfen und mögliche Verfahrensweisen zur Herstellung des Impfstoffs zu klären. Ein Bestandsimpfstoff kommt für diverse Erreger und Krankheiten in Frage, aber ist der Einsatz auch immer sinnvoll?
Wir klären, welche Vor- und Nachteile die bestandsspezifischen Vakzine mit sich bringen und welche begleitenden Maßnahmen nötig sind, um den Erfolg der Impfung zu sichern.
In diesem Artikel erfahren Sie:
- Was ist eigentlich ein bestandsspezifischer Impfstoff?
- Chancen und Risiken Stallspezifischer Impfstoffe
- Rechtliche Voraussetzungen und Verfahrensweisen
- Vor- und Nachteile von bestandsspezifischen Impfstoffen
Was ist eigentlich ein bestandsspezifischer Impfstoff?
Die Entwicklung kommerzieller Impfstoffe ist ein langwieriger und kostenintensiver Prozess. Aus diesem Grund sind nicht alle Krankheiten mit Handelsimpfstoffen abgedeckt. Diese Lücke können Bestandsspezifische Impfstoffe schließen und bieten die Möglichkeit, einen individuellen Impfstoff für die Herdentherapie und -prophylaxe herzustellen.
Bestandsspezifische Impfstoffe, auch autogene Vakzine genannt, werden aus Erregern hergestellt, die aus einem Tierbestand isoliert wurden. Für die Herstellung und den Einsatz gibt es klare Regelungen, die in der Tierimpfstoffverordnung und im Tierseuchengesetz verankert sind. Voraussetzung für deren Einsatz ist, dass kein kommerzieller Impfstoff verfügbar oder ein kommerzieller Impfstoff nachweislich nicht wirksam ist.
Weiterhin ist im Gesetzestext geregelt, dass der Impfstoff nur als inaktivierter Impfstoff (mit abgetöteten Erregern) eingesetzt werden darf. Die Erreger müssen aus dem Bestand stammen, in dem der Impfstoff zum Einsatz kommt. Dabei zählen zum Bestand auch alle vor- oder nachgeordneten Stallanlagen. Bestandsspezifische Impfstoffe dürfen nur durch die betreuende Tierarztpraxis bestellt und unter deren Aufsicht eingesetzt werden. Ab Herstellung haben diese Vakzine eine Haltbarkeit von 6 Monaten.
Zum Thema Tot- und Lebendimpfstoffe erfahren Sie mehr in diesem Artikel.
Wie bekomme ich meinen stalleigenen Impfstoff?
Eine genaue Diagnose durch ihren Tierarzt und die damit verbundene Diagnostik sind die Grundbausteine für einen erfolgreichen Impfstoffeinsatz. Dabei müssen je nach Krankheit spezielle Proben genommen werden, um den Erreger aus dem Bestand zu isolieren, der für die Krankheit verantwortlich ist. Je nach Krankheitsbild, können das auch verschiedene Stämme sein. Da es sich bei den meisten Krankheiten um Faktorenkrankheiten handelt, ist es unerlässlich auch diese krankmachenden Faktoren mit abzustellen.
Nach erfolgter Diagnostik wird in Zusammenarbeit mit dem Hoftierarzt und Fachberater, die optimale Zusammensetzung des Impfstoffes abgestimmt. Dabei kann der prozentuale Anteil der Erreger, der Trägerstoff und das Impfschema individuell an die Bestandssituation angepasst werden.
Die Produktionszeit beträgt ca. 4 – 6 Wochen. Der Impfstoff wird dabei unter Einhaltung aller relevanten Produktionsparameter hergestellt, und erst nach abgeschlossener Qualitätskontrolle kommt er zur Auslieferung an die Tierarztpraxis. Eine Verträglichkeits- und Wirksamkeitskontrolle ist aber aufgrund der begrenzten Zeit für Bestandsimpfstoffe nicht möglich. So sollte bei der Bestandsimpfung erst eine kleine Tiergruppe geimpft werden. Wenn in einem Zeitraum von 30 Minuten diese Tiere keine auffälligen Erscheinungen zeigen, kann der Bestand komplett geimpft werden. Nebenwirkungen sind erfahrungsgemäß aber sehr selten.
Für welche Erkrankungen beim Rind gibt es diese Vakzine?
In der Praxis haben sich bestandsspezifische Impfstoffe unter anderem bei diesen Erkrankungen bewährt:
- Lungenentzündung (bakterielle Erreger)
- Durchfallerkrankungen (bakterielle Erreger)
- Mastitis
- Salmonellen
- Entzündliche Augenerkrankungen
- Klauenerkrankungen (Mortellaro)
- Papillomatose
Welche Vor- und Nachteile haben betriebsspezielle Impfstoffe?
Die Vorteile eines Bestandsimpfstoffs:
- Ausgewählte Problemkeime direkt aus dem Bestand
- Schnelle Reaktion auf neue Bestandssituation möglich
- Individuelle Verteilung der Erregeranteile im Impfstoff
- Bietet Lösungen zur Behandlung von Erkrankungen, die bestehende Produkte nicht bieten können
- Nebenwirkungen kommen nur sehr selten vor
Die Nachteile eines Bestandsimpfstoffs:
- Kein Wirksamkeitsnachweis vorab möglich
- Verträglichkeitsprüfung ist nicht vorgeschrieben (höheres Risiko)
- Der Impfstoff ist nur so gut, wie der isolierte Erreger
- Zeitspanne zwischen Erregerisolierung und Behandlung, daher nicht für akute Notfälle zwingend geeignet
Und die Moral von der Geschicht‘… Bestandsgesundheit ist oberste Pflicht!
Schlussfolgernd lässt sich sagen, dass Bestandsspezifische Impfstoffe eine echte Alternative sein können, wenn zugelassene Impfstoffe für bestimmte Erkrankungen nicht vorhanden oder nicht wirksam sind.
Zum Impferfolg sind eine korrekte Erregerbestimmung und eine richtige Erregerisolierung ausschlaggebend. Eine Impfung ist aber immer nur als ein Bestandteil von Maßnahmen zu sehen, die in einer Kette zur Bekämpfung von Krankheiten beitragen kann.
Ihr Hoftierarzt wird Sie hierzu eingehend beraten können und einschätzen, ob und inwieweit eine Bestandsimpfung mit einem stalleigenen Impfstoff für Ihren Betrieb sinnvoll ist.