In unserem ersten Beitrag zum Thema Hitzestress bei Kühen haben wir allgemein die negativen Auswirkungen aufgezeigt, die erhöhte Umgebungstemperaturen auf die Leistung, Gesundheit und insbesondere Fruchtbarkeit der Kühe haben. Mit den richtigen Maßnahmen sind die problematischen Folgen von Hitzestress jedoch gut in den Griff zu bekommen.
In der Praxis kann und sollte man dabei in vielen verschiedenen Bereichen ansetzen: Von der allgemeinen Haltungssituation über Herdenmanagement und Fütterung bis hin zu baulichen Veränderungen gibt es im Zusammenspiel dieser Maßnahmen gute Möglichkeiten, Hitzestress entgegenzuwirken.
Übrigens: Bei Temperaturen etwa zwischen 0 und 15 °C fühlen sich die ausgewachsenen Kühe am wohlsten – während schon bei 22 °C die Futteraufnahme reduziert ist. Maßnahmen gegen höhere Temperaturen und Hitzestress sollten daher nicht erst bei echten Hitzewellen, sondern auch schon im Hinblick auf „normale“ Sommertemperaturen eingesetzt werden.
Folgende Punkte werden in diesem Artikel thematisiert:
- Bei Hitzestress optimale Fütterung und Wasserversorgung sicherstellen
- Herdenmanagement und Haltungsbedingungen gegen Hitzestress optimieren
- Bauliche Maßnahmen am Stall gegen Hitzestress umsetzen
- Ventilatoren und Wasserkühlung wirken aktiv gegen Hitzestress
Optimale Fütterung und Wasserversorgung sicherstellen
Eine Auswirkung von erhöhten Temperaturen im Stall ist der größere Energie- und Wasserbedarf der Tiere. Wenn auch schon unter normalen Temperaturen die problemlose Wasser- und Futterversorgung der Tiere einen hohen Stellenwert besitzt – unter Hitzebedingungen ist dies noch einmal besonders wichtig! Wassermangel, Pansenübersäuerung und Ketosen durch reduziertes Fressverhalten muss aktiv entgegengewirkt werden!
- Wasserversorgung hat höchste Priorität. Jedes Tier muss jederzeit schnell, bequem und ohne Konkurrenz Zugang zu Wasser haben. Auf Wasserqualität und Sauberkeit achten! Tränken täglich säubern und Frischwasser zuführen, um Keimbildung zu verhindern.
- Höhere Energiedichte der Rationen wählen, um die durch die Hitze verringerte Bereitschaft zur Futteraufnahme auszugleichen.
- Das Verhältnis von Grundfutter und Kraftfutter optimal halten, Pansenübersäuerung vermeiden.
- Unterstützung des Pansenstoffwechsels, z. B. durch Natriumbicarbonat oder Lebendhefe.
- Bereitschaft zur Futteraufnahme steigern, zum Beispiel durch häufigeres Futteranschieben oder mehrere Fütterungen im Tagesverlauf. Alte Futterreste täglich entfernen.
- Zugabe von Mineralfutter und Viehsalz gegen Elektrolytverlust.
Herdenmanagement gegen Hitzestress ausrichten
Schon im alltäglichen Herdenmanagement sollte man darauf achten, Bedingungen und Situationen zu vermeiden, die Hitzestress bei den Tieren verursachen oder fördern.
- Überbelegungen unbedingt vermeiden, eng stehende Tiere können ihre Köperwärme nur schwer abführen.
- Umtreiben der Tiere in kühleren Tageszeiten am Morgen oder am Abend vornehmen. Auch andere für die Tiere stressige Maßnahmen, wie z. B. Klauenschneiden, nicht an heißen Tagen durchführen.
- Auf Weiden müssen Schattenplätze in ausreichender Größe vorhanden sein. Auch hier muss eine optimale Wasserversorgung gewährleistet sein. Bei Hitzeperioden sollte man prüfen, ob man den Betrieb auf Nachtweide umstellen kann, während die Tiere tagsüber im gut belüfteten Stall gehalten werden.
Außenklimastall gegen hohe Temperaturen und Hitzestress
Gerade ältere Ställe wurden meistens in geschlossener Bauweise errichtet und sind bei hohen Außentemperaturen für die Tiere problematisch. Ventilatoren sind hier zwingend notwendig. Stallneubauten können bereits als Außenklimastall umgesetzt werden.
- Bei älteren, geschlossenen Ställen Ventilatoren einbauen und prüfen, ob durch einfache bauliche Veränderungen ein besserer Luftaustausch möglich ist.
- Neue Ställe direkt als Außenklimastall planen und bauen. Offene Seiten ermöglichen mehr Winddurchgang und Hitzeabfuhr. Zusätzliche Ventilatoren erzielen eine noch bessere Luftbewegung und sind auch im Außenklimastall zur gezielten Luftbewegung und Schadgasabfuhr notwendig.
- Beim Bau auf die örtlich vorherrschende Windrichtung achten und Windbrecher im Umfeld vermeiden. Curtains ermöglichen es, den Stall bei Bedarf flexibel zu öffnen oder zu schließen.
Mehr Luftbewegung durch Ventilatoren
Offene Tore, Firste und Seitenwände ermöglichen bereits eine verstärkte Luftbewegung bei Hitze. Doch diese passiven Maßnahmen reichen in der Regel nicht aus, um bei höheren Temperaturen Hitzestress zu vermeiden. Ventilatoren dagegen sorgen für aktive Luftbewegung.
- Parallel und in Reihe im Stall angeordnete, meist langsam laufende Ventilatoren bewegen die Luft längs zur Stallachse, entlang des Futtertischs bzw. der Boxen. Bei der Montage auf gleiche Strömungsrichtung achten!
- Mit Messungen kann man die Ist-Situation der Luftgeschwindigkeit in wichtigen Bereichen des Stalls ermitteln und die Ventilatoren entsprechend steuern.
- Luftgeschwindigkeiten von etwa 2,5 m/s erzielen eine gute Wirkung und sind für die Tiere verträglich. Die Luftgeschwindigkeit sollte jedoch nicht höher als 5 m/s sein, um Erkrankungen zu vermeiden.
- Ventilatoren können auch an besonderen Bereichen wie Melkstand oder Wartehof sinnvoll sein.
- Deckenventilatoren können für eine vertikale Luftumwälzung sorgen und die unter ihnen liegenden Bereiche besonders effektiv kühlen.
- Bei der Anbringung von Ventilatoren Sicherheitsabstände beachten: Je niedriger sie hängen, umso höher ist zwar der Wirkungsgrad, doch dann sind unbedingt Schutzgitter anzubringen, damit sich Tiere nicht verletzen können, z. B. beim Aufreiten.
Stalldach gegen Hitze modernisieren
Stalldächer können bei der Temperaturregulierung eine wichtige Rolle spielen. Schon bei der Planung sollte man dies berücksichtigen oder bestehende Stalldächer ggf. modernisieren.
- Dunkle und ungedämmte Dächer erhöhen im Sommer sofort die Temperatur im Stall.
- Stalldächer möglichst hell eindecken, damit Sonnenstrahlen reflektiert werden, das Dach sich nicht unnötig aufheizt und die Wärmestrahlung nicht von oben in den Stall einwirkt.
- Stalldächer wenn möglich beschatten. Geeignet sind dazu auch großflächige Photovoltaikanlagen, die gleichzeitig Strom erzeugen.
- Größere Dachüberstände vorsehen, um die Sonneneinstrahlung zu verringern.
- Lichtfirst oder auch Lichtplatten auf der Südseite und im Liegebereich der Tiere vermeiden. Helligkeit im Stall durch Beleuchtung sicherstellen.
Hitzestress? Wasser marsch!
Eine weitere Möglichkeit, Hitzestress zu verhindern, ist die gezielte Wasserkühlung. Diese ist jedoch meist erst bei höheren Stalltemperaturen ab etwa 24 °C sinnvoll, wenn andere Maßnahmen bereits an ihre Grenzen stoßen. Liegebereiche sollten selbstverständlich immer trocken bleiben.
- Hochdruckvernebelung produziert feine Tröpfchen, mit denen die Luft im Stall heruntergekühlt werden kann. Zu beachten ist, dass durch diese Technik auch die Luftfeuchtigkeit im Stall steigt, pro Grad Abkühlung etwa um 5 %.
- Niederdruckberegnung wirkt direkt auf das Fell der Tiere. Sie werden durchnässt und es entsteht Verdunstungskälte beim Trocknen. Die Tiere sollten dann jedoch nicht im feuchten Luftzug stehen.
- Mögliche Installationen sind Intervallduschen, die mit Unterbrechungen arbeiten, Sprühbefeuchtung oder Vernebelungslüfter sowie Duschen im Auslaufbereich.
Hitzestress reduzieren: Jedes Grad Celsius zählt!
In den letzten Jahren kam es wiederholt und häufiger zu Hitzeperioden – und für die Zukunft ist dies ebenfalls zu erwarten. Das Problem ist also erkannt und gerade im Stallbau wird man in Zukunft vermehrt auf intelligente, vollautomatische und sensorgesteuerte Systeme zurückgreifen können, die zum Beispiel Sprinkleranlagen, Ventilatoren und Lüftungssysteme kombinieren. Hitze- und Schadgasabfuhr, Temperatur und Luftfeuchtigkeit sowie aktive Kühlung können dann optimal gesteuert werden. Festzuhalten bleibt: Hitzestress ist für die Kühe eine hohe Belastung, die die Gesundheit, Leistung und Fruchtbarkeit der Tiere sowie den wirtschaftlichen Erfolg eines Betriebs negativ beeinflusst.
Zögern Sie nicht, im eigenen Betrieb sofort Maßnahmen gegen hohe Temperaturen und Hitzestress einzuleiten. Schon einfache und kostengünstige Maßnahmen können in der Praxis helfen, den Stress für die Tiere zu verringern – jedes Grad Celsius zählt!