Lupenblick auf Kühe auf der Weide

Strengere Hemmstoffuntersuchung - Was bedeutet das in der Praxis?

Dr. Christina Hirsch

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17.08.2021

·

4 Min. Lesezeit

Der Einsatz von Antibiotika ist in der Nutztiermedizin unvermeidbar. Die Anwendung von Arzneimitteln ist ein Gebot des Tierschutzes. Dennoch sollte das langfristige Ziel der Milchviehbetriebe eine gute Tiergesundheit und ein verantwortungsbewusster Einsatz von Antibiotika sein. 

Allerdings muss die Milch in Zukunft strenger und häufiger getestet werden – wie dies genau aussieht, lesen Sie in diesem Artikel.

Was hat sich bezüglich des Hemmstoffnachweises in der neuen RohmilchGütV geändert und welche Auswirkungen hat die strengere Hemmstoffuntersuchung für Landwirte?

In diesem Artikel erfahren Sie:

  • Was sich bezüglich des Hemmstoffnachweises in der neuen RohmilchGütV geändert hat
  • Warum gibt es sensiblere Tests?
  • Was passiert, wenn der erste Schnelltest positiv ausfällt?
  • Wie ist diese Verordnung mit der EU-Lebensmittelrecht VO (EG) Nr. 853/2004 vereinbar?
  • Reicht es aus, die Wartezeit einzuhalten, um einen positiven Test zu vermeiden?

Gerichtshammer aus Holz
Hemmstoffnachweise – was ist neu?

  1.  Häufigere Testung auf Hemmstoffe und Anwendung bestimmter Schnelltestverfahren ist bundesweit vorgeschrieben.

  2. Die vorgeschriebenen Schnelltests sind sensibler als die bisherigen Tests.

  3. Der Abschlag für einen Hemmstoffnachweis sinkt von 5 auf 3 Cent/kg Anlieferungsmilch im betreffenden Monat. Für jeden weiteren Nachweis im selben Monat sind mindestens 3 Cent abzuziehen.

  4. Nur eine über die Untersuchungsstelle mittels Schnelltest oder mikrobiologischem Testsystem positiv auf Hemmstoffe getestete Milch führt zu Milchgeldabzügen.

Nach der neuen Verordnung hat der Abnehmer bei jeder Rohmilchübernahme eine Probenahme zur Güteprüfung vorzunehmen und zwar direkt am Ort der Übernahme. Dies bedeutet, dass der Fahrer des Milchsammelwagens die Milch beprobt und einen Schnelltest durchführt.

Die Häufigkeit der Hemmstoffuntersuchung richtet sich nach der Art des Hemmstoffes:
  • Die Untersuchung auf die Hemmstoffgruppen Penicilline und Cephalosporine muss bei jeder Milchübernahme erfolgen.
  • Mindestens 4 Proben je Kalendermonat müssen auf die Hemmstoffgruppen Penicilline, Cephalosporine, Aminoglykoside, Makrolide und Lincosamide, Sulfonamide sowie Tetracyline untersucht werden.
  • Mindestens 2 Proben je Kalenderjahr müssen auf die Hemmstoffgruppe Chinolone untersucht werden.

Warum gibt es sensiblere Tests?

Die vorgeschriebenen Schnelltests, die bei jeder Rohmilchübernahme angewendet werden müssen, wurden deshalb eingeführt, weil sie ein breiteres Spektrum an antibiotischen Wirkstoffen nachweisen. Die neuen Schnelltests müssen Hemmstoffe nachweisen, die über dem sogenannten MRL-Niveau (Maximum Residue Limit, Rückstandshöchstmenge gem. EU-Lebensmittelrecht VO (EG) Nr. 470/2009)  liegen. Das MRL-Niveau ist der Höchstwert für pharmakologisch wirksame Stoffe, der in Lebensmitteln enthalten sein darf. Dies soll den Verbraucher vor der Aufnahme antibiotikahaltiger Rückstände schützen. Vorgeschriebene Schnelltests sind z.B. BRT hi sense, Delvotest T oder Milchtest MT Sensitiv. 

Um eine größere Anzahl an verschiedenen Wirkstoffen mit nur einem Test nachzuweisen, ist es technisch nicht anders lösbar, als dass diese Tests sensibler sind als die bisherigen Tests. Dies führt nun dazu, dass einige antibiotische Wirkstoffe sogar schon unter dem MRL-Niveau nachgewiesen werden und demnach der Schnelltest positiv ausfällt, obwohl das MRL-Niveau in der Probe nicht überschritten wurde. 

Was passiert nun, wenn der erste Schnelltest positiv ausfällt?

Wenn der vom Fahrer des Milchsammelwagens durchgeführte Schnelltest positiv ausfällt, müssen diese positiven Proben unverzüglich von einer zertifizierten Untersuchungsstelle untersucht werden. Kommt es auch bei der Untersuchungsstelle zu einem positiven Ergebnis, so muss laut der neuen RohmilchGütV ein Milchgeldabzug stattfinden. Denn jeder positive Test, der über die Untersuchungsstelle mittels Schnelltest und bzw. oder mikrobiologischem Testsystem positiv auf Hemmstoffe getestet wurde, stellt einen Verstoß gegen diese Verordnung dar. Als Konsequenz daraus, ist der Kaufpreis für den betreffenden Kalendermonat um 3 Cent je Kilogramm für den ersten Hemmstoffnachweis und für jeden weiteren Hemmstoffnachweis zu mindern.

Wie ist diese Verordnung mit der EU-Lebensmittelrecht VO (EG) Nr. 853/2004 vereinbar?

Wenn der Schnelltest positiv ausfällt, ist dies ein Verstoß gegen die RohmilchGütV. Ein positiver Schnelltest ist aber nicht unbedingt ein Verstoß gegen das EU-Lebensmittelrecht, da die Schnelltests schon Hemmstoffe nachweisen, die noch unter den MRL-Werten liegen. Denn ein Verstoß gegen das EU-Lebensmittelrecht liegt nur vor, wenn die wissenschaftlich begründeten Rückstandshöchstmengen (MRL-Werte) überschritten wurden. Da diese Werte höher sind als die Nachweisgrenze durch Schnelltests, kommt es zu dieser Situation. 

Reicht es aus, die Wartezeit einzuhalten, um einen positiven Test zu vermeiden?

Leider nicht immer. Da die neuen Schnelltests sich nicht nach den MRL-Werten richten, sondern sensibler sind. Die Wartezeiten der Arzneimittel sind jedoch auf die MRLs ausgerichtet. Denn die Rückstandshöchstmenge (MRL) ist die höchste Konzentration eines Tierarzneimittels, die in tierischen Lebensmitteln, die mit einem Tierarzneimittel behandelt wurden, gesetzlich zulässig ist. Dieser Wert bestimmt, ob ein Lebensmittel tierischen Ursprungs in den Verkehr gebracht werden darf, um den Schutz des Verbrauchers vor Rückständen nach der Anwendung von Tierarzneimitteln sicherzustellen. Dies ist im Lebensmittel und Futtermittelgesetzbuch sowie in arzneimittelrechtlichen Regelungen festgelegt.
Die Rückstandshöchstmengen und somit auch die Wartezeiten werden in Europa von der Europäischen Zulassungsagentur für Arzneimittel (EMA) festgelegt. Hierfür arbeiten nationale und internationale Gremien, denen wissenschaftliche Experten angehören, mit den Behörden, die für die Überwachung des Einsatzes von Tierarzneimitteln verantwortlich sind, zusammen.

Der Landwirt hat eigentlich alles richtig gemacht – Trotzdem kommt es zum Milchgeldabzug!

Er hat die Wartezeit nach der Behandlung seiner Kuh eingehalten, Hemmstoffe in der Milch liegen unterhalb des MRL-Wertes, aber trotzdem fällt der Schnelltest positiv aus. Damit verstößt er gegen die RohmilchGütV und bekommt einen Milchgeldabzug. 
Dies ist extrem ärgerlich, aber seit in Kraft treten der RohmilchGütV leider nicht mehr abwendbar. 

Was man als Landwirt tun kann, um einen Verstoß gegen die RohmilchGütV zu vermeiden, lesen Sie in diesem Artikel.

Der offizielle Gesetzestext kann hier abgerufen werden:

https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl121s0047.pdf%27%5D__1627663268226

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