Immer wieder hört man vom Auftreten von Tierseuchen in Nutztierbeständen. Auch die Blauzungenkrankheit bei Wiederkäuern ist eine Tierseuche. Im September 2023 wurde in mehreren Beständen in den Niederlanden der Erreger nachgewiesen und inzwischen hat diese Erkrankung auch Deutschland wieder erreicht. Woher kommt diese Erkrankung, was sind ihre Symptome, was ist bei einem Ausbruch zu beachten - kurzum, was muss ich als Tierhalter wissen?
Kurz und aktuell: Die neuesten Ereignisse
Anfang September 2023 meldeten die Niederlande Ausbrüche der Blauzungenkrankheit bei Schafen mit dem Serotyp 3 und einer schnellen flächenmäßigen Ausbreitung. Ende September folgte auch aus Belgien eine Meldung. Das Verbringen von lebenden Wiederkäuern und Produkten, wie Sperma und Embryonen wurde eingeschränkt. Auch das Verbringen von lebenden Wiederkäuern aus den Niederlanden zu Schlachtbetrieben in Deutschland ist von den Verbringungsbeschränkungen betroffen.
Am 12.10.2023 wurde ein erster Fall des Serotyps 3 in Deutschland angezeigt. Aktuell sind im Tierseuchennachrichtensystem des Friedrich-Loeffler-Institutes zwei Fälle eingetragen (siehe Karte). Bei beiden Fällen handelt es sich um Schafhaltungen. Bis dato galt Deutschland seit Juli 2023 als seuchenfrei.
Nach dem Stand vom 16.10.2023 gelten innerhalb von NRW keine Verbringungsbeschränkungen für Tiere empfänglicher Arten. Bedingungen für die Verbringung von Tieren in andere Bundesländer oder die EU werden aktuell geklärt.
Es ist derzeit kein Impfstoff gegen den Serotyp 3 vorhanden. Ob Impfstoffe gegen andere Serotypen wirken, ist nicht bekannt, wird aber geprüft. Bei den letzten Ausbrüchen in Deutschland vor dem aktuellen Geschehen handelte es sich um die Variante des Serotyps 8.
Abbildung 1: Angezeigte Fälle der Blauzungenkrankheit laut Tierseuchennachrichtensystem des FLI in Deutschland seit 12.10.2023. Die Fälle wurden aus dem Kreis Kleve und Ammerland gemeldet.
Was verursacht die Blauzungenkrankheit?
Beim Erreger der Blauzungenkrankheit handelt es sich um ein Virus (BTV – Blue Tongue Virus). Dieses Virus kommt in verschiedenen Varianten vor, sogenannten Serotypen. Bekannt sind 24 klassische Varianten, sowie eine Vielzahl atypischer Serotypen, wobei letztere fast ausschließlich bei kleinen Wiederkäuern (Schaf und Ziege) zu finden sind.
Übertragen wird das Virus durch stechende „Vektoren“ der Gattung Culicoides. Dabei handelt es sich um sehr kleine Mücken (1-3mm), die das Virus in sich tragen und bei einer Blutmahlzeit auf die Tiere übertragen können. Vor allem in den Dämmerungsphasen und feucht-warmem Klima werden Weidetiere von diesen Mücken attackiert.
Gegebenenfalls ist auch eine Übertragung während der Trächtigkeit auf den ungeborenen Embryo möglich.
Für den Menschen ist das Virus vollkommen ungefährlich und auch der Verzehr vom Fleisch infizierter Tiere ist unbedenklich.
Symptome und Therapie der Blauzungenerkrankung bei Nutztieren
Die Klinik variiert zwischen den Varianten. In der Regel sind vor allem Schafe von einer deutlichen Klinik betroffen: 7-8 Tage nach einer Infektion kommt es zu Fieber, Abgeschlagenheit und Absonderung von der Herde. Es treten Schwellungen der Maulschleimhäute mit vermehrtem Speichelfluss und Schaum vor dem Mund auf. Eine Blauverfärbung der Zunge, die der Krankheit ihren Namen gab, wird allerdings nur sehr selten beobachtet. Zudem können Kronsaumveränderungen mit Lahmheit sowie Aborte auftreten. Sterblichkeitsraten von bis zu 30% sind möglich.
Bei Rindern sind Entzündungen im Bereich der Zitzenhaut, Augenlider, Maulhöhle und Genitalien beschrieben. Es kann auch hier zu Ablösungen der Schleimhaut im Maul- und Zungenbereich kommen, sowie zu Blasenbildung am Kronsaum. Dann ähnelt die Blauzungenerkrankung beim Rind sehr der ebenfalls als Tierseuche eingestuften Maul- und Klauenseuche (MKS).
Die Krankheit kann vollständig ausheilen, der Erreger ist allerdings bis zu 200 Tage durch molekulare Diagnostik (z.B. PCR) im Tier nachweisbar, auch wenn infektiöses Virus nur circa 60 Tage in den Tieren zu finden ist. In diesen 60 Tagen bilden die Tiere also ein Reservoir für die Verbreitung der Krankheit.
Das Immunsystem bildet eine belastbare Immunität nach einer Erkrankung aus und auch nach Impfungen ist eine Immunität über Jahre beschrieben.
Eine spezifische Therapie erkrankter Tiere ist nicht möglich, sodass nur eine symptomatische Behandlung (Entzündungshemmung, Schmerzlinderung, ggf. Antibiose) zur Verfügung steht.
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Bekämpfung der Blauzungenkrankheit – was passiert nach einem Ausbruch
Die Erkrankung ist in allen EU-Mitgliedstaaten anzeigepflichtig. Bei anzeigepflichtigen Tierseuchen geht es darum Ausbrüche frühzeitig zu erkennen und zu tilgen, bevor diese weiterverbreitet werden können. Dabei ist nicht nur der Ausbruch der Erkrankung zu melden, sondern bereits der Verdacht.
Seitens der Behörden werden dann unterschiedliche Maßnahmen ergriffen, wie die Festlegung von Sperr- oder Beobachtungsbezirken oder Verbringungsverbote.
Sollen Tiere innerhalb dieser Gebiete bewegt werden müssen alle Rinder, Schafe, Ziegen und Gatterwild sowie ihr Sperma, Eizellen und Embryonen bestimmte Bedingungen erfüllen.
Gegen die Blauzungenerkrankung darf nach europäischer Gesetzgebung nur nach Genehmigung durch die zuständige Behörde und nur mit einem inaktivierten Impfstoff (Tot-Impfstoff) geimpft werden.
Für Deutschland existieren aufgrund der Risikobewertung des FLI für alle Bundesländer Allgemeinverfügungen, nach denen die Impfung gegen Blauzungenkrankheit möglich ist.
Quellen:
1 Blauzungenkrankheit: Friedrich-Loeffler-Institut (fli.de)
2 Steckbrief: Blauzungenkrankheit (openagrar.de)
3 Blauzungenkrankheit | Tierseucheninfo (niedersachsen.de)
4 LANUV (nrw.de)
5 BMEL - Tierseuchen - Anzeigepflichtige Tierseuchen
6 faq_blauzungenkrankheit_2020.pdf (bayern.de)