Bläschen, Fieber – Alarmstufe rot im Rinderstall! Krankheiten, die man nicht übersehen darf

Dr. Christina Hirsch

·

21.07.2025

·

6 Min. Lesezeit

Kleine Symptome, große Wirkung – warum Bläschen und Lahmheit Warnzeichen sein können

In vielen Rinderbetrieben gehören kleinere Gesundheitsprobleme wie Fieber, verminderte Futteraufnahme oder Lahmheit fast schon zum Alltag. Nicht immer steckt etwas Ernstes dahinter – doch genau hier liegt die Gefahr: Einige der gefährlichsten Tierkrankheiten beginnen mit unscheinbaren Symptomen, die leicht übersehen oder falsch eingeordnet werden. Bläschen im Maul, Zitzenveränderungen oder Klauenprobleme, kombiniert mit Fieber oder Mattigkeit, können auf hochinfektiöse, wirtschaftlich bedeutende Tierseuchen hinweisen.

Besonders heimtückisch ist, dass viele dieser Krankheiten auf den ersten Blick ähnlich aussehen – auch für erfahrene Tierhalter. Doch die Unterscheidung ist entscheidend: Denn während eine harmlose Maulverletzung von selbst abheilt, können Krankheiten wie die Blauzungenkrankheit (BTV), die Maul- und Klauenseuche (MKS) oder die seit Kurzem in Europa auftretende epizootische hämorrhagische Krankheit (EHD) zu massiven Einschränkungen im Betriebsablauf, hohen Tierverlusten und strengen amtlichen Maßnahmen führen.

Besonders problematisch: Diese Krankheiten treten oft saisonal gehäuft im Spätsommer und Herbst auf – dann, wenn Insekten als Überträger besonders aktiv sind. Zudem kann es vorkommen, dass Tiere die Erreger in sich tragen, ohne sichtbare Krankheitszeichen zu zeigen – und so unbemerkt andere anstecken oder den Virusbestand im Betrieb erhalten.

Dieser Artikel zeigt, auf welche Symptome Sie achten müssen, welche Krankheiten hinter Maul- und Klauenveränderungen stecken können und wie Sie Ihre Herde schützen können, bevor es zu spät ist. Im Fokus stehen dabei drei Erreger, die in Europa zunehmend an Bedeutung gewinnen: Blauzungenvirus (BTV), das Maul- und Klauenseuchevirus (FMDV) und das Virus der epizootischen hämorrhagischen Krankheit (EHDV). Weitere Krankheiten mit ähnlichen Symptomen werden kurz angeschnitten, damit Sie als Landwirt im Verdachtsfall besser differenzieren – und schneller reagieren – können.

Blauzungenkrankheit (Bluetongue, BTV)

Die Blauzungenkrankheit wird durch ein Orbivirus (Reoviridae-Familie) verursacht und ist eine Tierseuche, die ausschließlich Wiederkäuer betrifft – also Rinder, Schafe, Ziegen und Wildwiederkäuer wie Hirsche. Das Virus wird nicht direkt von Tier zu Tier, sondern über Gnitzen (Culicoides spp.), also kleine blutsaugende Insekten, übertragen. In den letzten Jahrzehnten kam es immer wieder zu regionalen Ausbrüchen in Europa. Besonders relevant war im Jahr 2024 und Anfang 2025 der Serotyp BTV-3, der in mehreren Regionen Europas und auch in Deutschland zu Ausbrüchen mit teils schweren Verlaufsformen geführt hat. Landwirte sollten sich daher unbedingt beim betreuenden Tierarzt über die aktuell empfohlenen Impfstoffe informieren und prüfen, ob eine Impfung gegen BTV-3 für ihren Betrieb sinnvoll oder sogar notwendig ist.

Symptome bei Rindern:

Während Rinder häufig symptomlos oder subklinisch infiziert sind, kann es insbesondere bei bestimmten Serotypen zu schwerwiegenden Krankheitsverläufen kommen:

  • Fieber (6–8 Tage)
  • Ödeme im Gesicht, besonders um die Augen und am Maul
  • Vermehrter Speichelfluss
  • Appetitlosigkeit
  • Zyanose der Schleimhäute („blauer“ Maulbereich – daher der Name)
  • Lahmheit durch Blutungen in der Klauenlederhaut
  • Zitzenläsionen bei Kühen

Rinder gelten als Reservoir des Virus: Sie bleiben oft bis zu 60 Tage infektiös, auch ohne klinische Symptome. Das erschwert die Seuchenkontrolle erheblich.

Warum BTV so gefährlich ist:

  • Hohe wirtschaftliche Verluste durch Produktionsausfälle
  • Handelsrestriktionen bei Ausbruch
  • Verschleppung des Virus durch symptomlose Tiere
  • Starke Abhängigkeit vom Gnitzenaufkommen (saisonale Häufung im Spätsommer)
kleine Mücken

Was Landwirte tun können :

  • Regelmäßige Beobachtung der Tiere, insbesondere bei Hitze und Gnitzenflug
  • Impfung gegen die vorherrschenden Serotypen
  • Insektenmanagement auf dem Betrieb
  • Frühzeitige Meldung verdächtiger Symptome an Tierärzte und Behörden

Lesen Sie mehr zu BTV unter Blauzungenkrankheit – So erkennen Sie die Symptome der Seuche BTV beim Rind

Maul- und Klauenseuche (MKS)

Die MKS zählt zu den gefürchtetsten Tierseuchen weltweit – und das aus gutem Grund: Sie ist hochansteckend, betrifft alle Klauentiere und kann sich in kürzester Zeit über ganze Regionen ausbreiten. Im Januar 2025 wurde ein Fall bei Wasserbüffeln in Brandenburg bestätigt. Kurz darauf folgten weitere Ausbrüche in Ungarn und der Slowakei – ein deutliches Warnsignal auch für deutsche Landwirte.

Tierarzt untersucht Kalb

Typische Symptome:

  • Fieber
  • Bläschen (Vesikel) im Maul, an Zitzen und den Klauen
  • Lahmheit durch schmerzhafte Läsionen
  • Rückgang der Milchleistung
  • Vermehrter Speichelfluss und Fressunlust

Nach dem Platzen der Bläschen bleiben erosive Wunden zurück, die das Fressen und Laufen sehr schmerzhaft machen. In Milchviehbetrieben kann MKS binnen weniger Tage zu drastischen Produktionsausfällen führen.

Besonderheiten:

  • 7 Serotypen, keine Kreuzimmunität zwischen den Typen
  • Zoonotisch unbedenklich (nicht auf Menschen übertragbar), aber aus Sicht der Tierseuchenbekämpfung hochrelevant
  • Strenge Bekämpfungsmaßnahmen: Sperrzonen, Verbringungsverbote, Keulung im Seuchenfall

Wichtig für Landwirte:

  • Sofortige Meldung bei Verdacht – schon ein Tier mit Bläschen und Lahmheit ist verdächtig
  • Betriebshygiene und Einschränkung des Tierverkehrs
  • Ernstnehmen auch bei geringfügigen Symptomen – eine schnelle Reaktion kann Seuchenausbreitung verhindern

Erfahren Sie mehr zu MKS im Artikel Maul- und Klauenseuche zurück in Deutschland: Was Landwirte jetzt über MKS wissen müssen

Epizootische hämorrhagische Krankheit (EHD)

Die EHD ist in Europa noch relativ neu – wurde aber seit 2022 rasant in mehreren Ländern festgestellt, u. a. in Frankreich, Spanien, Portugal und Italien. Wie die Blauzungenkrankheit wird EHD durch Gnitzen übertragen und betrifft hauptsächlich Rinder. Das Virus ist eng mit dem Blauzungenvirus verwandt und zeigt ähnliche, aber teils heftigere Verläufe. 

Klinische Anzeichen bei Rindern:

  • Fieber, Lethargie, Appetitlosigkeit
  • Nasen- und Augenausfluss, geschwollene Augenlider
EHD _1
  • Aus dem Maul hängende Zunge und vermehrte Speichelbildung
  • Bläschen und tiefe Läsionen im Maul- und Nasenbereich
EHD _2
  • Lahmheit, Rückgang der Milchleistung
  • In schweren Fällen: Lungen- oder Nierenversagen, plötzlicher Tod

Vor allem der Serotyp 8 gilt als besonders aggressiv gegenüber Rindern. Ziegen zeigen meist keine Symptome, können das Virus aber in sich tragen und über Gnitzen verbreiten. Für Menschen ist EHD ungefährlich, für Rinderbetriebe aber eine ernsthafte Bedrohung.

Verbreitung & Risiko:

  • Aktiv in warmen Monaten (Gnitzen-Saison)
  • Insekten können mehrere Kilometer weit fliegen, mit Wind sogar über Meere
  • 2024-2025: Hotspots in Frankreich (>7.000 Fälle)

Was Landwirte tun können:

  • Aufklärung und Sensibilisierung im Betrieb
  • Vermeidung von Gnitzenbrutplätzen (stehendes Wasser entfernen)
  • Schutz der Tiere gegen Stechmücken
  • Meldung an den Tierarzt bei Krankheitsverdacht
  • Impfung mit Schutz vor Virämie

Lesen Sie mehr in Epizootische hämorrhagische Krankheit (EHD): Was Landwirte jetzt wissen müssen

Weitere Erkrankungen mit ähnlicher Symptomatik (Kurzüberblick):

Auch andere virale Infektionen können Bläschen und Fieber verursachen, müssen aber differentialdiagnostisch abgeklärt werden:

  • Parapocken (Stomatitis papulosa, Pseudokuhpocken): v. a. Zitzen und Maulbereich, mild, zoonotisch, d.h. auf den Menschen übertragbar
  • Bovine Virusdiarrhöe (BVD): bei Kälbern, selten Bläschen, aber Schleimhautläsionen
  • Lumpy Skin Disease (LSD): v. a. Hautknoten, Fieber, Maululzerationen möglich (den Satz verlinken Lumpy Skin Disease (LSD) bei Rindern – Neue Gefahr für Milchviehbetriebe)
  • Vesikuläre Stomatitis: v. a. USA, klinisch ähnlich wie MKS
  • Orf (Ecthyma contagiosum): Ziegen & Schafe, stark ansteckend, Zoonosepotenzial (auf den Menschen übertragbar)

Fazit: Bläschen sind keine Kleinigkeit

Ob Blauzunge, MKS oder EHD – Bläschen im Maul und Lahmheit sind Warnsignale, die ernst genommen werden müssen. Einige dieser Krankheiten sind anzeigepflichtig, hochansteckend und mit enormen wirtschaftlichen Schäden verbunden. Frühzeitige Beobachtung, Zusammenarbeit mit Tierärzten und schnelle Meldung verdächtiger Symptome sind die wichtigsten Werkzeuge, um größere Ausbrüche zu verhindern.

Checkliste für Landwirte:

  • Täglich Tiere auf Maul-, Zitzen- und Klauensymptome kontrollieren
  • Auffällige Tiere sofort isolieren und dem Tierarzt melden
  • Gnitzen bekämpfen: stehendes Wasser entfernen, Insektenfallen einrichten, Tiere gegen Stechmücken behandeln
  • Über regionale Impfmöglichkeiten informieren
  • Seuchengeschehen in Deutschland und Europa im Blick behalten

Bleiben Sie wachsam – und schützen Sie Ihre Herde. Bei Bläschen und Klauenproblemen kann eine schnelle Reaktion entscheidend sein.

Artikel zu ähnlichen Themen

Keinen Blogpost mehr verpassen mit unseren Newsletter.