Kuh und Kalb auf der Weide

Krank nach der Kalbung - Die Bedeutung von Frischabkalbermonitoring bei Kühen

Dr. Sebastian Jander

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4.12.2023

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6 Min. Lesezeit

Meine leistungsmäßig beste Kuh im Stall hat eine Gebärmutterentzündung. Erst nur Milchabfall, jetzt auch Fieber und die Kosten der Behandlung die auf mich zukommen. Ganz zu schweigen davon, dass ich die Erfahrung gemacht habe, dass solche Tiere nicht gut tragend werden. Was kann ich tun, um kranke Kühe nach der Abkalbung zu vermeiden? Welche Möglichkeiten habe ich kranke Tiere früh zu erkennen? Was mache ich mit ihr nach der Erkrankung im Hinblick auf ihre Fruchtbarkeit?

Die Frischabkalberphase als Risikoperiode!

Bis zu 60% aller Kühe entwickeln infektiöse und metabolische Erkrankungen in den ersten Laktationsmonaten, vollkommen unabhängig von Rasse, Milchmenge oder Managementsystem1,2. Hierbei sind besonders die ersten 14 Tage nach der Kalbung ein Risikozeitraum3 (siehe Abbildung 1). Ursächlich hierfür ist eine drastische Umstellung im Metabolismus der Tiere in der Transitphase von nicht-laktierend in die Laktation. Die Anfälligkeit für Erkrankungen ist aufgrund dieses Stressereignisses deutlich erhöht.

In diesem Zusammenhang ist es ebenso wichtig die Kühe auch optimal auf die Kalbung vorzubereiten um den Stress in der Umstellung so gering wie möglich zu halten. Hierzu sollte systematisch auch das Trockenstehermanagement angeschaut werden. Belegungsdichten, Trockenstehdauer und Fütterung in dieser Phase sind dabei entscheidende Parameter.

Der wesentlichste Punkt aber ist das frühe und sichere Erkennen kranker Tiere nach der Kalbung, um frühzeitig eingreifen zu können und negative Effekte so gering wie möglich zu halten.

Denn sowohl klinische als auch subklinische Erkrankungen haben Einfluss auf die Wiederaufnahme des Zyklus (gesund: 96% vs. krank: 84%) und die Konzeptionsraten (gesund: 74% vs. krank: 50%), wobei die wesentlichen Effekte durch Gebärmuttererkrankungen vermittelt sind4.

Mehr zum Thema Gebärmuttererkrankungen lesen sie hier.

Krankheitsinzidenz in Relation zur Kalbung für Tiere in der ersten und dritten Laktation

Abbildung 1: Krankheitsinzidenz in Relation zur Kalbung für Tiere in der ersten und dritten Laktation. Die Krankheitsinzidenz setzt sich aus Mastitis-, Ketose-, Verdauungstörungs- und Rehe-Aufzeichnungen von Kühen zusammen, die in dänischen Herden 1998 gekalbt haben. (n = 93,347 and 58,459 für Tiere in der ersten bzw. dritten Laktation); modifiziert nach Ingvartsen, 20063.

Strategisches Vorgehen - Entscheidender Unterschied!

Grundsätzlich sollte die Zeit, die die Tiere in einer Selektion oder im Fressgitter gehalten werden, so gering wie möglich sein. Denn Kühe haben ein begrenztes Zeitbudget. Nach Abzug von Fressen, Liege- und Stehzeiten, sowie Sozialverhalten bleiben nur circa 4 Stunden am Tag für Melken und andere Tätigkeiten wie das Frischabkalbermonitoring5. Zudem ist eine gute Dokumentation unerlässlich um auch gezielt Maßnahmen oder Absprachen mit ihrem Tierarzt zu treffen.

Ein solches Frischabkalbermonitoring kann auf verschiedene Arten durchgeführt werden, wobei Kombinationen aus einzelnen Bereichen zu empfehlen sind:

  • Optische Erkennung im Melkstand/Stall
    Kriterien hierbei sind ein leeres Euter, verändertes Sekret, offensichtliche Verletzungen oder eingefallene Hungergruben. Da es sich bei Kühen um Fluchttiere handelt zeigen sie nicht jede Erkrankung direkt. Auffallende Tiere werden daher oft recht spät erkannt. Zudem sollte das durchführende Personal geschult sein und die zeitlichen Möglichkeiten haben.
  • Milchmengenerfassung/Listenarbeit
    Eine weitere Möglichkeit ist die Kontrolle von Milchmengen. Dies ermöglicht es anhand von Daten zur Milchleistung den Gesundheitsstatus abzuleiten. Einige Programme, insbesondere bei automatischen Melksystemen stellen direkt auch Alarmlisten zur Verfügung, nach denen man Tiere zur Kontrolle auswählen kann. Ansonsten helfen Kriterien wie Einzelgemelke der letzten sieben Tage, Vergleich ähnlicher Melkzeiten oder der Vergleich durchschnittlicher Milchmengen bei der Beurteilung. Steigern die Tiere ihre Milch, gibt es Milchverluste, haben sie im Vergleich zu Herdenmitgliedern gleicher Laktation und Laktationstagen genug Milch? Nach diesen Kriterien können zu untersuchende Tiere ausgewählt werden. Auch hierbei ist es allerdings möglich kranke Tiere gegebenenfalls erst spät erkannt werden, da ein Abfall der Milchmenge nicht bei allen Erkrankungen eines der ersten Symptome ist.


Landwirt überprüft Melktechnologiesystem

  • Systematische Frischabkalberkontrolle
    Dies ist die zeitintensivste Variante, da alle Tiere in den ersten 10-14 Tagen nach der Kalbung systematisch jeden Tag kontrolliert werden. Die Beurteilung beginnt hierbei vorne am Tier um Fressverhalten und Aufmerksamkeit (Ohren und Augen) zu prüfen. Anschließend sollte die Füllung der Hungergrube (Zeichen für Futteraufnahme), Kotbeschaffenheit, vaginaler Ausfluss, Ketose und Fieber überprüft werden. Das Zeitbudget pro Tier sollte bei mindestens einer Minute liegen, dennoch aber so kurz wie möglich sein. Für die Erkennung kranker Tiere ist diese Methode der Goldstandard, wenn sie durch geschultes Personal und mit der erforderlichen Sorgfalt und Dokumentation durchgeführt wird.
  • Nutzung digitaler Gesundheitsüberwachung
    In den letzten Jahren sind viele Systeme entwickelt worden, um den gestiegenen Anforderungen auf modernen Betrieben gerecht zu werden. Wachsende Betriebe mit immer mehr Arbeit und einer angespannten Personalsituation machen den Einsatz digitaler Systeme sehr reizvoll. Sie versprechen eine schnellere und bessere Erkennung erkrankter Tiere, effizientere Arbeitserledigung, weniger Störung gesunder Tiere und weniger Zeit im Fressgitter für zu untersuchende Tiere, da nur noch Alarmtiere geprüft werden müssen.

    Die Sensitivität der Erkennung liegt je nach Erkrankungskomplex zwischen 55% (Gebärmutterentzündung) und 98% (Labmagenverlagerung)6-8. Bezüglich der früheren Erkennung ergeben sich Vorteile zur klinischen Diagnose zwischen 14 Stunden (Mastitis) und 3 Tagen (Labmagenverlagerung)6-8. Für die klinische Relevanz dieses zeitlichen Vorteils bedarf es aber weiterer Untersuchungen. In einer neueren Studie von Perez et. al.9 konnten demgegenüber keine signifikanten Unterschiede in der Erkrankungserkennung zwischen einer hoch intensiven Frischabkalberkontrolle und digitaler Gesundheitsüberwachung festgestellt werden. Hierbei wurden aber auch weitere Parameter wie Milchalarme bei der Frischabklaberkontrolle mitberücksichtigt.

    Der Vorteil digitaler Systeme liegt daher vermutlich vor allem in der Zeitersparnis durch die unterschiedlichen Anzahlen zu untersuchender Tiere und einem insgesamt einfacheren Zeitmanagement.

Junger Mann mit Tablet-PC und Kühen auf Milchviehbetrieb

Mehr zum Thema Erkrankte Tiere richtig behandeln lesen Sie hier.

Fazit

Gute Fruchtbarkeit beginnt mit gesunden Tieren nach der Kalbung:

  • Management und Umweltbedingungen in Trockensteh- und Frischmelkerphase
  •  Fütterung in Trockensteh- und Frischmelkerphase
  • System zur Frischmelkerkontrolle

Lesen Sie im zweiten Teil mehr darüber, warum neben einem guten Frischabkalbermanagement auch das Fruchtbarkeitsmanagement im Anschluss wesentlich für den Erfolg ihres Betriebes ist.

 

Quellen:

1 Ribeiro, E. S., et al. "Effect of postpartum diseases on reproduction of grazing dairy cows." J Dairy Sci 94.Suppl 1 (2011): 63.
2 Santos, J. E. P., et al. "Applying nutrition and physiology to improve reproduction in dairy cattle." Reproduction in Domestic Ruminants VII (2011): 387-403.
3 Ingvartsen, K. L. "Feeding-and management-related diseases in the transition cow: Physiological adaptations around calving and strategies to reduce feeding-related diseases." Animal feed science and technology 126.3-4 (2006): 175-213.
4 Bisinotto, R. S., et al. "Influences of nutrition and metabolism on fertility of dairy cows." Animal Reproduction (AR) 9.3 (2018): 260-272.
5 Grant, Rick. "Where Does the Time Go? Current Concepts in Time Budgeting for Dairy Cattle."
6 "Use of rumination and activity monitoring for the identification of dairy cows with health disorders: Part I. Metabolic and digestive disorders."
7 "Use of rumination and activity monitoring for the identification of dairy cows with health disorders: Part II. Mastitis." 
8 "Use of rumination and activity monitoring for the identification of dairy cows with health disorders: Part III. Metritis." 
9 "Effect of targeted clinical examination based on alerts from automated health monitoring systems on herd health and performance of lactating dairy cows."

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