Ich gehe gerne in den Zoo. An der frischen Luft herumbummeln und Tiere beobachten, hilft mir oft, den Kopf freizubekommen. Und wenn man dann ein besonderes Ereignis beobachten kann, wird es noch schöner. Wie eine Tiergeburt zum Beispiel. Das ist schon ein Highlight, an das man sich gern erinnert. Das dachten sicherlich auch die Besucher des Gaia Zoos in Kerkrade (Niederlande) in der Nähe von Aachen, als sie im April und Mai 2025 einen Streifzug durch die 4 Themenbereiche machten. Leider liefen die 5 Geburten bei den Waldrentieren in dieser Zeit hinter verschlossenen Türen ab. Im Nachhinein stellte es sich jedoch als Glück heraus, dass sie nicht vor den Besucheraugen, sondern im Verborgenen stattfanden. Denn laut Zeitungsberichten waren die Tiere an Q-Fieber erkrankt1.
Warum kann eine Q-Fieber Erkrankung von Wald-Rentieren für den Menschen gefährlich sein? Und was sollten Sie bei Ihrem nächsten Besuch im Zoo oder Wildpark beachten? Das lesen Sie in diesem Artikel.
Q-Fieber – klingt harmlos, ist es aber nicht
Erstmal das Grundwissen:
Q-Fieber (Q wie „Query“, also „unklare Herkunft“) ist eine Zoonose – das heißt, eine Krankheit, die vom Tier auf den Menschen übertragbar ist. Der Übeltäter: das Bakterium Coxiella burnetii.
Q-Fieber tritt neben Hunden, Katzen und Vögeln hauptsächlich bei Haus-Wiederkäuern auf, also Kühen, Schafen und Ziegen. Aber auch Wildwiederkäuer wie Rotwild, Damwild oder Rentiere können von Coxiella burnetii infiziert werden. Sie zeigen häufig keine oder nur milde Symptome. Beim Menschen kann es allerdings ganz schön zuschlagen.
Die häufigsten Beschwerden beim Menschen sind grippeähnliche Symptome2:
- Hohes Fieber
- Starke Kopfschmerzen
- Schweißausbrüche
- Appetitlosigkeit
Mehr zu den Symptomen lesen Sie im Interview mit Dr. Martin Behr, Tierarzt, in dem er uns von seinen persönlichen Erfahrungen mit Q-Fieber berichtet.
In den meisten Fällen heilt die Infektion nach ein paar Tagen bis Wochen von selbst ab. 60% der Infizierten bemerken sogar überhaupt keine Symptome. Aber: Ca. 4% dieser Patienten müssen mit Hepatitis, Lungenentzündung, Meningitis oder Enzephalitis stationär behandelt werden. In etwa 2% der Fälle entwickelt sich eine chronische Form, die unter anderem einen Herzinfarkt, das Fatigue Syndrom/ chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS)3 und andere vaskuläre Infektionen auslösen kann – und das ist dann nicht mehr harmlos.
Wie steckt man sich an?
Und jetzt wird’s spannend – denn man muss das Wildtier nicht mal anfassen oder streicheln!
Der Hauptinfektionsweg ist aerogen, also über die Luft:
Das Bakterium kommt vor allem im Fruchtwasser, der Nachgeburt, dem Urin und Kot infizierter Tiere vor – und wird vor allem bei der Geburt/Fehlgeburt in großen Mengen ausgeschieden, kann aber auch über Staubpartikel verteilt werden. Diese führen dann eingeatmet zu einer Infektion. Besonders riskant: Geburten bei Wild- oder Hauswiederkäuern in der Nähe von Besuchern – oder stark frequentierte Gehege bei warmem, trockenem Wetter. Da überlegt man doch gleich zwei Mal, ob man durch das kleine Gatter im Streichelzoo geht und sich von den kleinen Ziegen anknabbern lassen möchte, oder nicht?
Direkter Kontakt ist also gar nicht nötig. Es reicht, in der Nähe zu sein, wenn die unsichtbaren Erreger durch die Luft schwirren4. Als Beispiel: pro Gramm Nachgeburt/Geburtsmaterial werden 1 Milliarde Coxiella burnetii Bakterien = Coxiellen ausgestoßen, dabei benötigt der Mensch lediglich 10 Bakterien, um sich mit Q-Fieber anzustecken! Einmal tief eingeatmet – und schon kann das Bakterium im menschlichen Körper sein Unwesen treiben.
Wer ist besonders gefährdet?
- Landwirte und Tierärzte
- Wildpark- oder Zoopersonal
- Besucher von (Streichel-)Zoos und Wildgehegen – besonders, wenn sie Tiere füttern oder bei Geburten dabei sind
- Menschen mit geschwächtem Immunsystem, Herzkrankheiten, künstlichen Herzklappen etc.
- Schwangere Frauen (Achtung: Q-Fieber kann Fehlgeburten auslösen!)
Übrigens: Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt immer wieder vor unterschätzten Q-Fieber-Ausbrüchen – gerade weil die Symptome so unspezifisch sind und die Infektionswege schwer nachvollziehbar.
Interessant ist zudem ein Fernsehbericht der NDR-Redaktion Visite über Q-Fieber und die langwierige Suche nach der richtigen Diagnose
Warum gerade Wildtiere?
Weil wir bei Wildtieren – im Gegensatz zu Nutztieren – weniger Kontrolle haben:
- Keine regelmäßige tierärztliche Überwachung
- Keine Impfungen gegen Q-Fieber
- Geburten finden oft „im Verborgenen“ statt
- Stärkere Erregerverbreitung durch Freiheit und Witterungseinflüsse
Hinzu kommt: Gerade Rot- und Damwild leben oft in großer Zahl auf engem Raum – sei es in Wildgehegen oder in freier Wildbahn. Das begünstigt die Ausbreitung von Coxiella burnetii innerhalb der Population – und eben auch nach außen.
Was bedeutet das für deinen nächsten Wildparkbesuch?
Jetzt keine Panik – das soll dich nicht vom nächsten Familienausflug abhalten. Aber ein bisschen Vorsicht schadet nicht:
- Nicht zu nah ran ans Gehege. Wild ist wild – auch, was Keime angeht.
- Kontakt mit Tieren vermeiden, vor allem bei Geburtssituationen oder sichtbar trächtigen Tieren.
- Hygiene ernst nehmen: Hände waschen nach dem Besuch, Kleidung zu Hause wechseln, besonders bei Kindern!
- Besondere Vorsicht für Schwangere: Bei Unsicherheiten besser auf den Besuch verzichten.
- Symptome nach dem Besuch beobachten: Fieber, Kopfschmerzen und Grippegefühl? Dann besser zum Arzt – und den Hinweis geben, dass man kürzlich in einem Wildpark war.
Und die gute Nachricht?
Nicht jeder Tierkontakt macht krank. Und viele Wildparks haben mittlerweile gute Hygienestandards. Aber: Q-Fieber ist eine unterschätzte Zoonose, die Tierärzten (und Landwirten!) schon lange ein Begriff ist – und die auch Besucher von Zoos und Wildgehegen im Blick behalten sollten.
Bleibt gesund – und tierisch informiert!
Quellen:
1 Q-Fieber bei Waldrentieren im GaiaZOO entdeckt - GaiaZOO
2 Narayan, K.G., Sinha, D.K., Singh, D.K. (2024). Q Fever. In: Handbook of Management of Zoonoses. Springer, Singapore. https://doi.org/10.1007/978-981-99-9885-2_52
3 Morroy, G., et al. Q Fever and Chronic Fatigue Syndrome. Journal of Clinical Microbiology, vol. 49, no. 4, 2011, pp. 1710-1714. https://jcm.asm.org/content/49/4/1710
4 Clark NJ, Soares Magalhães RJ (2018) Airborne geographical dispersal of Q fever from livestock holdings to human communities: a systematic review and critical appraisal of evidence. BMC Infect Dis 18(1):218