In landwirtschaftlichen Betrieben mit Rinderhaltung, Milchvieh und Kälbern können viele verschiedene Erreger zu Erkrankungen im Bestand führen. Eine Erregergruppe sind die Mykoplasmen. Bei den Mykoplasmen handelt es sich um sehr kleine Bakterien aus der Klasse der Mollicutes, der sogenannten „Weichhäuter“. Sie werden so bezeichnet, da sie im Gegensatz zu anderen Bakterien keine Zellwand haben, sondern nur eine sie umgebende Membran. Dies ist auch ein Grund für ihre Wandelbarkeit und Anpassungsfähigkeit, indem sie Immunbarrieren überwinden.
Es sind über 125 Arten von Mykoplasmen bekannt, die viele Tierarten und auch den Menschen befallen können und für unterschiedlichste Erkrankungen verantwortlich sein können. Meistens infiziert eine Mykoplasmenart jedoch nur eine Tierart. So werden bei Rindern auftretende Arten in der Regel nicht bei anderen Tierarten nachgewiesen. Bei Rindern handelt es sich dabei um mehr als zwölf Arten von Mycoplasma bovis und artverwandten Bakterien. Die Bakterien sind davon abhängig, die benötigten Nährstoffe von den Wirtsorganismen zu bekommen, in denen sie sich verbreiten. Schauen wir uns die Mykoplasmen genauer an!
- Mycoplasma bovis Bakterien sind anpassungsfähig und umgehen das Immunsystem der Rinder
- Mykoplasmen-Infektionen verursachen häufig Atemwegserkrankungen bei Kälbern
- Übertragung der Mykoplasmen durch Kontakt über kurze Entfernungen
- Einschleppung von Mykoplasmen in die Herde durch Quarantäne verhindern
Warum ist Mycoplasma bovis in der Landwirtschaft so problematisch?
Die Mykoplasmen-Infektionen im Bestand sind häufig nur schwer in den Griff zu bekommen, da die Erreger sehr anpassungsfähig sind und das Immunsystem der Tiere teilweise umgehen können. Da die Bakterien über verschiedene eigene Abwehrmechanismen verfügen, wird die erfolgreiche Behandlung erschwert:
- Bestimmte häufig verwendete Antibiotika wirken, indem sie die Zellwände von Bakterien angreifen. Da die Mykoplasmen aber keine Zellwand besitzen, sind viele Antibiotika nicht wirksam.
- Die Mykoplasmen haben die Fähigkeit, die Oberflächenproteine zu verändern und umgehen so die Immunreaktion der infizierten Rinder.
- Mit der zusätzlichen Fähigkeit, einen Biofilm zu bilden, können Mykoplasmen die Wirkung des Immunsystems und von Antibiotika abwehren.
Welche Krankheiten werden durch Mycoplasma bovis verursacht?
Durch Mycoplasma bovis können bei Rindern und Kälbern verschiedenste Krankheiten ausgelöst werden. Vor allem bei Kälbern verursachen die Erreger häufig Atemwegserkrankung und teilweise auch Ohrenentzündungen (Otitis media). Bei älteren Tieren im Bestand können durch eine Infektion Arthritis, Mastitis und Lungenentzündungen ausgelöst werden.
Atemwegserkrankung bei Kälbern durch Mykoplasmen
Mykoplasmen wie Mycoplasma bovis, weitere Bakterienarten, Viren und andere Erreger können insbesondere bei Kälbern respiratorische Erkrankungen wie eine komplexe Bovine Respiratory Disease (BRD) auslösen.
Mycoplasma bovis wird oft mit BRD in Zusammenhang gesehen. Meistens wird die Atemwegserkrankung zusammen mit anderen Erregern ausgelöst, die Bakterien können aber auch die alleinige Ursache sein. Wenn Tiere mit Lungenentzündung nicht auf eine Behandlung reagieren, besteht häufig der Verdacht auf Mycoplasma bovis, da die Erreger sehr widerstandsfähig sind.
Mastitis und Arthritis bei Rindern
Neben den Atemwegserkrankungen sowie schweren Lungenentzündungen können die Mykoplasmen vor allem bei älteren Tieren auch Euterentzündungen (Mastitis) und Gelenkentzündungen (Arthritis) verursachen.
→ Mastitis durch Mykoplasmen wird durch die aufwändige Diagnose der Erreger möglicherweise bisher unterschätzt, doch die Fälle von Mykoplasma-Mastitis scheinen vor allem in größeren Herden zu steigen. Die Übertragung von Mycoplasma bovis findet dabei wahrscheinlich am häufigsten beim Melken statt.
→ Arthritis kann bei älteren Tieren und Kälbern ebenfalls durch Mycoplasma bovis ausgelöst werden. Die Gelenkentzündung kann schwere Verläufe annehmen. Die Gelenke der unteren Gliedmaßen schwellen an und es kann schnell zu Schädigungen kommen. Die Tiere sind sehr lahm. Bei erwachsenen Tieren kann die Arthritis allein oder auch in Kombination mit einer Mastitis vorkommen. Je eher die Erkrankung bekannt ist, umso besser kann eine Behandlung mit Antibiotika anschlagen.
Allgemein ist zu beobachten, dass Infektionen mit Mykoplasmen häufiger auftreten und schwerer verlaufen, wenn in einem Bestand bereits generelle Infektionsprobleme mit anderen Erregern herrschen und die Haltungsbedingungen nicht optimal sind.
Wie werden die Mykoplasmen-Erreger übertragen?
Die infizierten Tiere können die Erreger über verschiedene Schleimhautoberflächen abgeben, zum Beispiel über Nase, Augen, Vagina und Enddarm. Weiterhin werden Erreger über Ausscheidungen weitergegeben und sind in der Milch infizierter Kühe enthalten. Im Tierbestand wird Mycoplasma bovis dann in der Regel durch engen und wiederholten Kontakt über kurze Entfernungen übertragen, auch die Ansteckung über das Melken ist möglich. Gerade unbehandelte infizierte Milch kann auch eine Infektionsquelle für Kälber sein.
Auch Tiere, bei denen die Infektion subklinisch, also nur leicht oder kaum feststellbar verläuft, können ansteckend sein. Dies ist insbesondere zu beachten, wenn zugekaufte Tiere in den Bestand eingestallt werden sollen. Zugekaufte Tiere sollten zunächst unbedingt in Quarantäne gehalten werden!
Wie werden Mykoplasmen-Infektionen diagnostiziert?
Sobald im Bestand erste Anzeichen von Atemwegserkrankungen oder auch von Mastitis oder Arthritis auftreten, sollte auf jeden Fall der Tierarzt hinzugezogen werden.
Den Tierärzten und insbesondere spezialisierten Labors stehen dann die entsprechenden Verfahren zur Verfügung, die verschiedenen Mykoplasmen-Spezies zu identifizieren und auch gemischte Mykoplasmen-Infektionen festzustellen. Eine bewährte Methode ist die Serologie, um Erkrankungen in einer Herde nachzuweisen und Hinweise auf eine aktive Infektion zu erhalten. Für die Behandlung ist es wichtig, die verschiedenen Spezies zu identifizieren, da einige Mykoplasmen-Arten nur wenig krankheitserregend oder Teil der normalen Bakterienpopulation sind.
Vorbeugung ist die schärfste Waffe gegen Mykoplasmen!
Wie bei vielen anderen Erkrankungen von Nutztieren in landwirtschaftlichen Betrieben stellt sich auch bei Mykoplasmen die Frage, was man in der Praxis gegen die Infektionen tun kann. Und auch bei der Bekämpfung von Mycoplasma bovis gilt vor allem: Vorbeugung ist der beste Schutz!
- Einschleppung verhindern
Eine große Gefahr geht in der Regel von Tieren aus, die zugekauft und neu in eine Herde integriert werden. Unerkannt infizierte und ansteckende Tiere können die Erreger in den Bestand einschleppen. Strenge Herdenpolitik, Beschränkung von Zukäufen, ausführliche Bewertung der Krankheitsgeschichte (Anamnese) sowie Quarantäne und serologische Untersuchung können die Gefahr der Einschleppung minimieren.
- Haltungsbedingungen optimieren
Krankheitserreger aller Art haben es besonders leicht, wenn sie auf eine schwache und wenig widerstandsfähige Herde treffen. Durch optimale Haltungsbedingungen sowie weitere Maßnahmen wie Minimierung von Stress, richtige Kolostrumgabe und gute Fütterung ist es möglich, die Resistenz der Tiere gegen Erreger allgemein zu verbessern.
- Verfütterung von Restmilch vermeiden
Wurde bei Mastitis in einer Herde Mycoplasma bovis erkannt, sollte Restmilch der Kühe nicht an die Kälber verfüttert werden. Über die Aufnahme von erregerbelasteter Milch können sich auch die Kälber infizieren.
Die vorbeugenden Maßnahmen sind umso wichtiger, da Mykoplasmen von Natur aus eine hohe Resistenz gegen Antibiotika besitzen und die Behandlung somit limitiert ist. In Deutschland ist für Rinder zurzeit kein Impfstoff gegen Mycoplasma bovis zugelassen.