Krankheiten bei Kälbern kommen, werden behandelt und gehen. Aber ist das wirklich so?
Leider nicht: Untersuchungen und Analysen zeigen, dass es zum Beispiel bei der Rindergrippe bei Kälbern zu Langzeitfolgen kommt, die sich lebenslang auf die Leistungsfähigkeit der Kühe auswirken. Die dauerhaften Lungenschäden, die durch die Grippe verursacht werden, sorgen weiterhin für höhere individuelle gesundheitliche Risiken bei den betroffenen Tieren und eine nachweisbar schwächere Milchleistung schon bei der Erstlaktation. In Nordamerika durchgeführte Metaanalysen belegen dies: Ein Kalb, das Grippe hatte, wird nie zu einer leistungsfähigen Kuh.
- Langzeitfolgen von Rindergrippe sind statistisch nachgewiesen
- Behandlungskosten und langfristige Folgekosten der Rindergrippe summieren sich
- Rindergrippe vorbeugen lohnt sich sofort und zahlt sich langfristig aus
Langzeitfolgen von Rindergrippe sind statistisch nachgewiesen
Die langfristigen Folgen von Grippeerkrankungen bei Kälbern wurden in mehrjährigen Beobachtung von über 10.000 Tieren in Kalifornien untersucht und ausgewertet. Dabei wurde zunächst festgestellt, dass etwa 20 bis 25 % der Tiere mindestens einmal im Leben an Rindergrippe erkrankt waren. Zusätzlich erkrankten 15 % der Tiere sogar zweimal in den ersten beiden Lebensmonaten.
- Die Spätfolgen sind längst bekannt: Die Kälber erzielen verminderte Tageszunahmen und das Erstkalbealter ist erhöht, die Milchproduktion ist reduziert und das Risiko für frühzeitiges Merzen steigt.1
- Grippekranke Kälber haben ein verdoppeltes Risiko, frühzeitig aus dem Bestand entnommen zu werden. Das Risiko, die ersten Monate nicht zu überleben wird durch die Grippe sogar verdreifacht. Mit 29 % ist die Rindergrippe damit die häufigste Abgangsursache bei Jungtieren.2
- Je nach Schwere und Verlauf der Rindergrippe können die Tierverluste bis zu 35 % betragen.3
In der Erstlaktation geben Kühe, die als Kalb einmal Rindergrippe hatten, 100 bis 500 kg weniger Milch, wie eine Auswertung von 10 verschiedenen Studien gezeigt hat.4
Direkte Behandlungskosten und langfristige Folgekosten der Rindergrippe summieren sich
Die Langzeitfolgen der betroffenen Kälber und Kühe sind natürlich nicht nur gesundheitlicher Art, sondern schlagen sich auch als Kostenfaktoren für den Betrieb nieder. Dabei summieren sich die direkten Kosten für die Behandlung der schweren Atemwegserkrankungen mit den indirekten Kosten, die erst später zum Beispiel durch den Milchmengenverlust zu Buche schlagen.
Grob kalkuliert kann man von etwa 40 Euro Behandlungskosten für jeden Krankheitsfall ausgehen, womit Tierarzt und Arzneimittel abgedeckt werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass in der Aufzuchtphase der Kälber 50 % der Behandlungskosten durch die Kälbergrippe verursacht werden können.5
Langfristige Kosten entstehen dann zunächst eher unbemerkt, indem die angesetzten üblichen Leistungsziele nicht erreicht werden. Knackpunkt sind die Fixkosten zum Beispiel für Stall und Futter: Diese bleiben gleich, egal ob die Kühe starke oder schwache Erträge bringen. Gesunde Kühe sind schneller trächtig, werfen lebensstärkere Kälber, erzielen eine starke Erstlaktation und produzieren im gesamten Lebenslauf mehr Milch. Darüber hinaus ist es immer mit einem Risiko behaftet, ob kränkliche Kühe überhaupt in der Lage sind, ohne Zeitverzögerung gesunden Nachwuchs zu bekommen. Auch hier sind die Folgekosten in Bezug auf eine schwache Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen.
Rindergrippe vorbeugen lohnt sich sofort und zahlt sich langfristig aus!
Zieht man die langfristigen Folgen der Rindergrippe in Betracht, ist die Vorbeugung auf jeden Fall eine sinnvolle Investition. Als sogenannte Faktorenkrankheit ist die Rindergrippe eine Infektion, bei der sich viele Ursachen summieren und einen Ausbruch verursachen können. Andererseits hat man damit bereits eine Menge an Hebeln in der Hand, um im eigenen Bestand konsequent die Vorbeugung umzusetzen und die Risiken für Infektionen zu minimieren:
Haltungsbedingungen optimieren
Große Stallplätze bereitstellen und in den Kälbergruppen nicht mehr als 15 Tiere zusammenstellen. Beim Stallklima auf gute Frischluftversorgung ohne Zugluft achten, Temperatur und Luftfeuchtigkeit regulieren.
Stressfaktoren ausschalten
Stress schwächt das Immunsystem der Tiere. Vermeiden Sie Hitze- oder Kältestress, Transport und Umstallungen, aber auch Futterumstellungen und Stress durch schlecht erreichbare oder zu wenige Futterstellen und Tränken.
Stallhygiene beachten
Hygiene und Sauberkeit in den Kälberboxen ist ein absolutes Muss. Sie müssen regelmäßig mit geeigneten Mitteln gereinigt und falls erforderlich auch desinfiziert werden. Vergessen Sie nicht die Reinigung von Arbeitsgeräten und Arbeitskleidung!
Mehr zu Hygiene im Kälberstall lernen Sie hier.
Ad-libitum-Tränke und Kolostrum-Versorgung
Die Biestmilch ist entscheidend für den Aufbau des Immunsystems der jungen Kälber. Geben Sie den Tieren so viel wie möglich und in bester Qualität. Gerade die ersten Stunden sind wichtig, wenn das Kolostrum noch am meisten immunisierende Stoffe und Antikörper beinhaltet. Mit der frei zugänglichen Ad-libitum-Tränke stellen Sie später sicher, dass die Tiere jederzeit ausreichend Milch aufnehmen können.
Mehr zur Ad-libitum-Tränke erfahren Sie hier.
Impfungen der Muttertiere
Nutzen Sie vorab die Möglichkeit, die Muttertiere zu impfen. So kann die Gefahr einer Infektion im Bestand reduziert werden. Stimmen Sie das Impfkonzept unbedingt mit Ihrem Hoftierarzt ab!
Bleibt festzuhalten: Kälbergrippe verursacht bei den jungen Tieren sehr häufig bleibende Lungenschäden und mindert die Leistung als Milchkuh erheblich über die gesamte produktive Lebenszeit. Optimales Vorbeugen durch Minimierung der Risikofaktoren und zum Beispiel durch Impfungen sowie schnelles und konsequentes Handeln im Fall von Krankheitsausbrüchen ist wichtig für die einzelnen Tiere und lohnt sich auch wirtschaftlich mit Blick auf den Erfolg eines Betriebs.
Wie Sie Rindergrippe frühzeitig erkennen können zeigt das kalifornische Punktesystem.
Quellen:
1 Van der Fels-Klerx, H.J.,et al. Effects on productivity and risk factors of Bovine Respiratory Disease in dairy heifers; a review for the Netherlands. NJAS - Wagening. J. Life Sci. 50, 27–45 (2002)
2 Boissard, V. Étude de la mortalité bovine en France métropolitaine. Thèse vétérinaire (Vetagro Sup, 2011)
3 Traulsen, K. KUHGESUNDHEIT Praxiswissen für Milchkuhhalter: Rindergrippe http://www.kuhgesundheit.de/2013/05/07/rindergrippe/ (abgerufen am 28.9.2017)
4 Buczinski et al. 2021
5 Kriebel, K. Epidemiologische Untersuchungen zur Enzootischen Bronchopneumonie der Rinder in einem Praxisgebiet in Oberbayern, 4 (2007)