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Kälbergesundheit verbessern: Krank als Kalb – das hat Folgen für die Kuh!

Gast Autor Ceva Rind

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17.01.2022

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6 Min. Lesezeit

Welche Faktoren beeinflussen die Kälbergesundheit? Was für Auswirkungen haben frühe Erkrankungen auf die spätere Konstitution der Kuh? Wie können Fruchtbarkeit, Milchleistung und Nutzungsdauer unserer Kühe optimiert werden?

Diese Fragen standen Ende September beim ersten Akt unserer Ceva Rinder-Fortbildungs-Trilogie für Tierärzte im Mittelpunkt – denn Kälberkrankheiten wie Kälberdurchfall oder Kälbergrippe sind auch heute noch viel zu häufig anzutreffen und haben direkte Auswirkung auf die Entwicklung und Leistungsfähigkeit der Tiere sowie auf die Wirtschaftlichkeit der Betriebe. Im Folgenden wollen wir die wichtigsten Informationen unserer Referenten für Sie zusammenfassen.

  • Mikrobiom des Darms ist ein Schlüssel für gesunde Kälber
  • Optimale Kolostrumversorgung ist entscheidend gegen Kälberkrankheiten
  • Kälberdurchfall und Kälbergrippe vorbeugen und bei Ausbruch aktiv bekämpfen
  • Kälberkrankheiten beeinträchtigen den wirtschaftlichen Erfolg eines Betriebs

Mutterkuh knufft Kalb auf Wiese

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gesunde Kälber brauchen ein optimales Mikrobiom des Darms

Das Mikrobiom des Darms ist ein extrem komplexes System aus verschiedensten Mikroorganismen. Viele davon und ihre Wechselwirkungen sind längst noch nicht erkannt und in Gänze verstanden. Doch die Forschung macht immer deutlicher, dass das Mikrobiom des Darms eine entscheidende Grundlage für die Gesundheit darstellt – sowohl beim Menschen als auch bei Tieren – und damit auch bei Kälbern und Milchkühen.

Für Prof. Dr. Martin Kaske von der Universität Zürich hat das Mikrobiom des Darms eine zentrale Bedeutung, er sieht es im Rahmen der Tiergesundheit sogar als „game changer“. Das Mikrobiom wirkt sich direkt auf die Gesundheit des Tieres aus und beeinflusst auch das Immunsystem ganz erheblich. Die verschiedenen physiologischen Prozesse, die über das Mikrobiom des Darms im Organismus stattfinden, können dabei sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben. So wird zum Beispiel einerseits die Fermentation von zunächst unverdaulicher Nahrung ermöglicht – andererseits aber auch die Vermehrung von Krankheitserregern verstärkt, wenn das Mikrobiom nicht optimal aufgestellt ist.

Unterstützen Sie bei Ihren Kälbern den Aufbau des Mikrobioms:

  • Geprägt wird das Mikrobiom im Darm eines Kalbs schon vor der Geburt im Mutterleib, von der ersten Nahrung nach der Geburt und auch von der Stallumgebung. Gerade in den ersten Lebenstagen und Wochen kann das Mikrobiom entscheidend beeinflusst werden. Extrem wichtig dafür ist die schnelle und ausreichende Kolostrumgabe.
  • Kolostrum so viel wie möglich frisch verabreichen: Durch Pasteurisieren, Einfrieren oder Auftauen bei zu hohen Temperaturen können wichtige Inhaltsstoffe verloren gehen.
  • Antibiotika wirkt sich extrem auf das Mikrobiom aus: Beim Kalb kann es das gerade aufgebaute Mikrobiom direkt wieder zerstören. Die Gabe von Antibiotika muss daher immer genau abgewogen werden. Auch antibiotikahaltige Sperrmilch sollte nicht an die Kälber verfüttert werden – auch nicht pasteurisiert, da in diesem Fall nur die enthaltenen Keime abgetötet werden, das Antibiotika aber bleibt erhalten.
  • Einen positiven unterstützenden Effekt kann man durch Kälberbooster erzielen. Diese sind einfach anwendbar, vergleichsweise günstig und fördern den Aufbau eines intakten Mikrobiom im Darm des Kalbs.

Tränkemanagement und Kolostrum sind entscheidend gegen Kälberdurchfall

Nicht nur für das Mikrobiom im Darm ist das Kolostrum wichtig. Auch gegen Kälberdurchfall ist es die beste „Medizin“, die wir den Kälbern geben können. Dr. Ingrid Lorenz vom Tiergesundheitsdienst Bayern erklärte in Ihrem Vortrag dabei auch die Rolle des Tränkemanagements gegen Durchfallerkrankungen und wies auf die vielen Faktoren hin, die Kälberdurchfall auslösen können. Dem entgegenwirken können wir bei der Kälberaufzucht durch bestmögliche Stallhygiene, optimale Aufstallung, vorbeugende Impfungen und insbesondere durch die optimale, reichliche und schnelle Kolostrumgabe. Drei Liter oder mehr bei der zweiten Mahlzeit verbessern den Schutz der Kälber vor Durchfall entscheidend, wie ihre eigene Studie zeigte.

Ihre Vorschläge für die Praxis:

  • Zur Überprüfung des Kolostrum-Managements empfiehlt Dr. Lorenz, mit Blutproben durch den Tierarzt den Gesamteiweißgehalt im Auge zu behalten. Als Richtwert weisen mindestens 58 g/l Gesamtprotein im Serum bei 80 % der Kälber im Stall auf eine gute Kolostrumversorgung hin.
  • Kommt es trotzdem zu Durchfallerkrankungen, sollte weiterhin Milch verabreicht werden. Ergänzend ist die Versorgung mit Elektrolyten wichtig, um deren Verlust während der Krankheitsphase auszugleichen.
  • Die frühe Verabreichung von Eisenpräparaten sieht sie nach einer eigenen Studie kritisch. Da Bakterien und Viren zur Vermehrung selbst Eisen benötigen, kann dies sogar das Risiko für Durchfall steigern. Hier sind weitere Untersuchungen notwendig.
  • Grundsätzlich sollte beim Tränkemanagement auf ad libitum-Tränke der Kälber gesetzt werden. Durch die freie Tränkemöglichkeit nehmen die Kälber mehr Milch auf und entwickeln sich besser.

Praktisches Vorgehen gegen Kälberdurchfall und Rindergrippe

Auch Dr. Josef Beisl, Tierarzt aus Frontenhausen, stellte in seinem Vortrag aus der Sicht eines Praktikers die besondere Bedeutung der Biestmilch deutlich heraus. Nach seiner praktischen Erfahrung geben die meisten Betriebe Kolostrum zu spät und in zu geringem Umfang. Statt 4 Liter werden in 60 % der Betriebe nur 2 Liter verabreicht. Auch auf die Qualität der Biestmilch kommt es an, so dass zum Beispiel Stress für die Kuh oder bakterielle Belastung durch mangelhafte Tränkehygiene unbedingt zu vermeiden sind.

Folgende Tipps erteilt Dr. Beisl:

  • Den Kälbern in den ersten 3 Stunden mit 4 Litern die erste und innerhalb von 7 Stunden eine weitere Kolostrumgabe ermöglichen. Ebenso ist die freie Aufnahme/ad libitum-Tränke vorzuziehen.
  • Schon vorab ist unbedingt auf Geburtshygiene zu achten, sowohl beim Abkalbeabteil als auch beim Kälberabteil. Nabeldesinfektion und Nährstoffversorgung (insbes. Eisen, Vitamin E und Selen) müssen sichergestellt werden.
  • Lüftung und Stallklima sind optimal zu gestalten. Der Frischluftbedarf liegt bei 14 Kubikmeter pro Stunde und Kalb. Zugluft ist jedoch zu vermeiden (Luftgeschwindigkeit max. 0,3 Meter/Sekunde).
  • Blutproben erlauben Rückschlüsse auf die Gesundheit eines Tieres und den Bestand. Ebenso sollte auf Impfungen zurückgegriffen werden (Mutterschutzimpfung Rotaviren/Coronaviren, ggf. stallspezifische E.coli-Impfstoffe, intranasale Impfung, aktive Immunisierung durch Boosterung).

In der Praxis zahlt sich eine sinkende Erkrankungsrate durch optimale Haltung auch finanziell aus, bestätigte Dr. Beisl: Die Behandlungskosten sinken, während die zukünftige Leistung der gesunden Kälber steigt.

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Kranke Kälber kosten Geld – gesunde Kälber zahlen sich aus!

Kälberkrankheiten beeinträchtigen den wirtschaftlichen Erfolg eines landwirtschaftlichen Betriebs kurzfristig und langfristig. Treten Krankheiten wie Kälberdurchfall oder Rindergrippe auf, kommt es zunächst zu den sofortigen Behandlungskosten durch Medikamente sowie zu mehr Arbeitsaufwand zum Beispiel durch Absonderung und zusätzliche Pflege der erkrankten Tiere. Doch vor allem der langfristige Schaden kann immens sein, wenn sich die erkrankten Kälber schwach entwickeln, später trächtig werden und die Milchleistung hinter den Erwartungen zurückbleibt.

Nur mit gesunden Kälbern sind als Grundlage die optimalen Tageszunahmen erreichbar. Bernd Lührmann von der LWK Niedersachsen nennt dazu konkrete Zahlen:

  • 750 g Tageszunahme in den ersten 4 Monaten
  • 900 g Tageszunahmen vom 5. bis zum 12. Monat
  • 720 g Tageszunahme im 2. Lebensjahr
  • Bis zur ersten Kalbung mit 24 bis 26 Monaten sollten 620 kg Lebendgewicht erreicht sein

    Eine Gefahr liegt darin, im Alltag nur die offensichtlichen Kosten bei Erkrankungen zu berücksichtigen, also Therapie und Abschläge bei der Qualität. Diese machen jedoch nur etwa 30 % der Kosten aus. 70 % der Kosten wie geringere Milchleistung, vorzeitige Abgänge oder Mehrarbeit bleiben zunächst verborgen. Die Auswirkungen der Kälberkrankheiten – finanziell und produktionstechnisch – werden meist unterschätzt, erklärte Lührmann:
  • Bei Kälbern, die in den ersten 6 Monaten von einer Kälbergrippe betroffen sind, ist die Wahrscheinlichkeit um 15 % reduziert, die erste Laktation zu erreichen.
  • Das Risiko, dass es zu Komplikationen bei der Geburt kommt, ist um 8 % erhöht.
  • Die Wahrscheinlichkeit, erst nach dem 25. Lebensmonat zu kalben, ist um 40 % erhöht.
  • Auch Durchfälle sorgen für höheres Erstkalbealter und geringere Milchleistung.
  • Bei mehr als 4 Erkrankungen in der Aufzuchtphase steigt das Risiko auf Abgänge vor der ersten Laktation auf 58 %!

    An einem beispielhaften Milchhof mit 80 Kälbern in der Aufzucht und einer Erkrankungsrate von 40 % rechnete Lührmann vor:
  • Reduzierung der Erkrankungsrate auf 25 % ->  2.131 Euro Gewinnsteigerung
  • Reduzierung der Erkrankungsrate auf 15 % -> 3.552 Euro Gewinnsteigerung

    Krankheitsvorbeugung, optimaler Stallbau, bestmögliche Hygiene in der Aufzucht und intensives Kümmern um die Gesundheit der Kälber zahlt sich aus – für jeden Betrieb!

Immer dranbleiben: Kälbergesundheit bringt Erfolg auf lange Sicht!

Gesunde Kälber sind die Grundlage für leistungsstarke Kühe und wirtschaftlichen Erfolg. Wer an den Kälbern spart, vergibt von Anfang an die besten Chancen. Umgekehrt ist es richtig: Kälbergesundheit ist eine ständige Aufgabe und zahlt sich langfristig aus – für jedes einzelne Tier, für die Milchleistung und den Betriebserfolg.

Mehr Informationen erhalten Sie in unserem Hauptartikel zu Kälberkrankheiten.

Zu guter Letzt wollen wir uns rechtherzlich bei dem E-Magazin "Der Hoftierarzt - Tiergesundheitsmagazin für Nutztierhalter" für die Veröffentlichung des Artikels "Fortbildung: Kälbergesundheit im Fokus" bedanken! Hier können auch Sie den Artikel des Hoftierarztes lesen. 

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