Spiegelung Kuh im Wasser

Krank als Färse - Das hat Folgen für die Kuh

Dr. Sebastian Jander

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27.03.2023

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6 Min. Lesezeit

Kälbergesundheit ist für die Entwicklung zu einer hochleistenden Milchkuh ein wesentlicher Faktor. Doch was geschieht in der Zeit nach der Tränkephase? Jungrinder werden häufig sich selbst überlassen oder nur stiefmütterlich behandelt. Dabei liegen auch hier für Sie als Landwirt viele Möglichkeiten Management und Tiergesundheit zu optimieren, um leistungsfähige und langlebige Kühe in ihre Herde zu integrieren.

Wir haben mit Ulrich Westrup von der Westrup-Koch Milch GbR gesprochen, der sehr erfolgreich Kontrollpunkte und Maßnahmen für die Färsenaufzucht in seinem Betrieb etabliert hat, um das optimale Heranwachsen zu einer guten Milchkuh sicherzustellen.

Ulrich Westrup ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Westrup-Koch Milch GbR. Innerhalb des Betriebes ist er zuständig für die Milchviehhaltung, Rinderaufzucht und die Mitarbeiterausbildung. Zudem ist er in einer Vielzahl von Arbeitsgruppen vertreten. Die Westrup-Koch Milch GbR betreut etwas über 600 Milchkühe, gut 650 weibliche Tiere in eigener Nachzucht zuzüglich Ackerbau und Grünlandbewirtschaftung. Zudem wird eine Biogasanlage betrieben. Der Betrieb hat ein Erstkalbealter von 23,5 Monaten und eine Lebenstagsleistung von 22 kg.

Die Färsenaufzucht ist in vielen Betrieben ein vernachlässigtes Thema. Warum spielt Sie in Ihrem Betrieb eine wesentliche Rolle?

Weil das unsere zukünftigen Kühe sind. Ich kann damit maßgeblich die Leistung und die Gesundheit dieser Tiere bestimmen. Ich bestimme damit, wie gut die eigene Nachzucht für mich selber ist, aber natürlich auch, bei den Tieren, die ich verkaufe, damit der Kunde auch die Qualität bekommt die er haben möchte. Man denkt manchmal, diese Tiere laufen gefühlt von allein, werden größer, aber sie sind einfach nicht so im Fokus wie eine Kuh, die jeden Tag getrieben wird, die jeden Tag vor dem Melkstand steht. Das ist genau wie mit trockenstehenden Kühen. Dort ist auch die Gefahr der Vernachlässigung größer, weil ich sie nicht jeden Tag sehe. Hier arbeiten wir mit CowManager®-Ohrmarken und stellen fest, dass wir uns heute mehr um diese Tiere kümmern als früher, wo wir viel weniger Daten hatten. Und bei Färsen und Kälbern ist es ähnlich. Es helfen einem Daten, zu ermitteln, ist man da, wo man hin möchte? Da gibt es klare Zieldefinitionen für uns und die sind auch fachlich begründet. Wir können zum Beispiel sehen, wenn wir über 1050 g tägliche Zunahmen in der Tränke Phase haben, haben wir leistungsbereitere Färsen.

Leistungsfähige, robuste und langlebige Kühe aufzuziehen ist das Ziel in der Färsenaufzucht. Wie machen Sie dieses Ziel für Ihren Betrieb greifbar?

Ein wesentlicher Punkt ist das Gewicht. Vom Prinzip her hat man mit der 3. Laktation nachher das Endgewicht der Tiere erreicht. Zum ersten Abkalben sollen die Tiere ungefähr 90% dieses Gewichtes schaffen. Um das hinzubekommen muss ich bestimmte Ziele erreichen. Das beginnt damit, dass ich in der Tränke Phase tägliche Zunahmen von über 1000g haben möchte. Das ist für mich der wichtigste Indikator, weil ich in dieser Phase sehr viel Potenzial liegen lassen, aber auch gewinnen kann. Das ist unsere Zielmarke dort. 
Aber tägliche Zunahme ist nicht gleich tägliche Zunahme. Es kommt auch auf die Streuung an. Ich kann 1000g mit einer breiten oder einer schwachen Streuung erreichen. Mir ist wichtig, dass wir eine schwache Streuung erreichen, dass nicht Tiere sich das beste vom Trog heraus suchen und dadurch fett werden und andere eben nur noch das Stroh fressen. Das ist einer der Gründe für mich, dass wir inzwischen nicht mehr eine klassische Trocken-TMR (Total-Misch-Ration) füttern sondern „Strohpellets“ so nennen die sich. Das ist Stroh mit Kraftfutter als Pellet gepresst, und das macht das Sortieren unmöglich und führt zu mehr Gleichmäßigkeit in der Aufwuchsphase.
Danach kommen wir, mit ungefähr 14 Monaten, zu einem Besamungsgewicht mit von gut 400kg. Wenn man dort zu viel möchte (430-440kg), was einem auch passieren kann, wenn man zu intensiv im zweiten Teil des ersten Lebensjahres füttert, hat man verfettete Färsen, die zum Beispiel ein höheres Risiko haben an Färsenmastitis zu erkranken. Dazu gibt es schöne Auswertungen von Prof. Krömker und seinen Mitarbeitern, die den Zusammenhang von BCS (Body Condition Score) und Färsenmastitisrate erforscht haben.
Durch diese Ziele erreichen wir unser Erstkalbealter von 23,5 Monaten und das gewünschte Abkalbegewicht (650-670kg) zur ersten Kalbung. 
Wir haben für uns neben dem Gewicht aber auch die Beurteilung des BCS in unsere Routine mit hineingenommen, sodass wir alle 2 Monate in den Gruppen den BCS bestimmen um dort eine weitere Überwachung zu haben. Wir konnten auch bei uns feststellen, dass es eine Zeit gab, wo wir das nicht so gemacht haben, und dachten viel (Gewicht) ist toll, aber das ist eben nicht immer so.

Bauer knutscht Kuh bei Stallarbeit
Welche Kontrollmöglichkeiten nutzen Sie, um diese Ziele (Wachstum, Erstbesamungsalter/Erstkalbealter) zu erreichen? 

Erstmal fängt es damit an, dass ich wiegen muss. Wenn ich nicht wiege, oder messe komme ich auch zu keinen Ergebnissen. Und der nächste Punkt ist, dass ich festgesetzt, und klar definiert habe wie Tiere versorgt werden. Zu viele Unterschiede führen dazu, dass ich meine Ergebnisse nicht richtig bewerten kann.
Wir haben zum Beispiel zunächst ein klares Impfschema gegen Rindergrippe, Flechte und eine Mutterschutzimpfung der Kühe. Es ist klar definiert, wann diese Punkte sind, und was genau gemacht wird. Genauso ist klar, wann welches Kalb gewogen wird. Für mich sind die wichtigsten Daten um Tag 10, wenn die Kälber in den Gruppenstall kommen und um den Tag 76 zum Absetzen. Hier ist es sehr einfach die Tiere zu händeln, man braucht nur eine Kälberwaage.
Unsere Fütterung ist auch klar festgesetzt, um die 1000g Zunahmen zu erreichen. Die ersten zehn Tage bekommen die Tiere 9,4 L Vollmilch mit einem Ergänzer der ansäuert und Eisen enthält.
Ab Tag 11 erfolgt die Fütterung über den Computer im Gruppenstall plus Pellets. Ab Tag 30 erfolgt eine langsame Abfütterung der Milch um 0,2 L täglich bis zum Tag 76. Dieses langsame Abfüttern hat den Vorteil, dass das Kalb selbst lernt mehr Kraftfutter zu fressen. Macht man das zu abrupt merkt man jedes Mal einen kleinen Knick in der Wachstumskurve.
Ein weiterer Kontrollpunkt ist um den Besamungszeitpunkt herum. Wir stellen hier immer wieder einzelne Tiere auf die Waage um zu schauen wo wir stehen. Ich halte mehr vom Einzeltier wiegen als vom Gruppenwiegen, denn bei letzterem habe ich immer nur einen Durchschnittswert. Es muss meiner Meinung nach nicht jedes Rind gewogen werden, es reichen einzelne Kontrollwiegungen in Kombination mit der BCS-Kontrolle. Wir wiegen circa 15 20% der Rinder.

Können Sie in Kürze beschreiben, welche Maßnahmen Sie umsetzen, um die Ziele ihrer Kontrollpunkte umzusetzen?

Ich glaube, das Wichtigste, was wir machen, ist, dass wir genau definiert haben, wie Aufzucht und die einzelnen Schritte aussehen. Was machen wir wann und zu welchem Zeitpunkt. Das haben wir definiert, das steht auf Listen. Ein Beispiel:
Sobald eine Gruppe in unseren Gruppenstall eingestallt wird, wird eine Liste aufgehängt, wo genau draufsteht, wann welche Impfung, wann Enthornen und so weiter stattfindet. Dadurch vergessen wir nichts und es verschiebt sich nichts. Das gleiche gilt auch nach der Tränke-Phase. Wann ist die Umstellung auf Silage-TMR (bei uns beginnend ab der 14. Lebenswoche). Das ist alles vorher schon beschrieben, sodass es keine zufällige Sache ist, nach dem Motto „die müssten jetzt vielleicht mal umgestellt werden“, sondern sehr zielgerichtet. Und im Rahmen dieser  Aufzeichnungen ist dann auch klar definiert wann Wiegepunkte sind, was die Tiere erreichen sollen und auch was wir erreichen wollen. So haben wir auch die Chance unsere Ziele zu erreichen. Oder wenn man Sie nicht erreicht, hat man die Möglichkeit mit einem Berater oder seinem Tierarzt zusammen daranzugehen, sich die Punkte noch einmal anzuschauen und herauszufinden, warum etwas nicht so funktioniert hat. Es kann sein, dass schon kleine Punkte, wie ein Tier mehr im Stall, ein System auseinanderbrechen lassen, aber dafür ist es gut, wenn man alles andere festgesetzt hat und eine gute Dokumentation hat.
Es gibt immer Zufälligkeiten, aber die bekommt man so einfacher heraus.

Warum sind für Sie besonders die Tierkontrolle und die Züchtung wesentliche Punkte? 

Wir arbeiten mit Lebewesen und diese haben eben unterschiedliche Bedürfnisse.  Und wir müssen versuchen diesen gerecht zu werden. Deshalb glaube ich ist auch das Einzeltier wichtig zu berücksichtigen und wahrzunehmen, um dadurch das Gesamte möglichst gut zu gestalten.
Die Züchtung ist mir deshalb so wichtig, weil ich seit der genomischen Zuchtwertschätzung genau sehen kann, was ich mit ihr erreichen kann. Wir lassen alle Tiere genomisch untersuchen und wir finden einfach die Parameter, und nicht nur die Leistungsparameter, sondern auch die Gesundheitsparameter. Ich mache das immer gerne an der Zellzahl fest. Wenn ich nach Zellzahlzuchtwert auswerte und mir die besten und schlechtesten 25% anschaue und was die nachher für Ergebnisse haben, ab da ist für mich jeder Zweifel am genomischen Zuchtwert vorbei.
Und mittlerweile geht ja noch mehr: Eutergesundheit, Stoffwechselstabilität, Klauengesundheit, Kälberfitness.
Dennoch ist auch ein Kalb mit tollem Zuchtwert nicht geschützt davor krank zu werden, wenn meine Umweltbedingungen nicht stimmen. Zucht ist eben nicht dafür da, dies auszugleichen, sondern die Wahrscheinlichkeit hochzuhalten, dass unter guten Bedingungen das Tier gesund bleibt und dafür kann man sie sehr gut nutzen. Aber Züchtung ist eben auch ein Prozess der Zeit braucht.
Ein Beispiel noch zur Langlebigkeit: Die Mitte der Population ist bei einem Zuchtwert von 100. Wenn ich jetzt eine Standardabweichung (12 Punkte) darüber liege, dann leben diese Tiere im Schnitt 256 Tage länger. Wenn ich jetzt sogar bei 124 bin, dann leben diese Tiere durchschnittlich sogar 512 Tage länger. Und wenn man das weiß, dann weiß man, man sollte alles dafür tun auf Langlebigkeit zu züchten.
Das befreit einen aber nicht davon, die Umweltbedingungen entsprechend anzupassen und eine gute Tierkontrolle zu machen. Dazu kommt die Dokumentation. Ohne Dokumentation bringt mir die beste Kontrolle nichts. Beides bedingt sich gegenseitig.

 

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