Mutterkuh mit Kalb im Stall

Kälbertransport erst ab 28. Lebenstag: Neue Verordnung 2023 und die Folgen

Gast Autor Ceva Rind

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13.12.2022

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4 Min. Lesezeit

In der Kälberhaltung tritt ab dem 1. Januar 2023 die neue Kälbertransportverordnung in Kraft. Ein entscheidender Punkt der neuen Regelung: Kälber dürfen dann erst im Alter von 28 Tagen transportiert werden und nicht mehr schon mit 14 Tagen.

Hintergrund für die Änderung ist insbesondere die Verbesserung der Kälbergesundheit, da die Tiere dann mit mehr Lebenstagen bereits etwas kräftiger und robuster gegenüber Krankheiten sind. Doch die Änderung hat auch Auswirkungen auf die Tierhaltung in der Praxis: Verschiedene Maßnahmen, die nach dem 14. Lebenstag vorgenommen werden, verschieben sich jetzt in den Betrieb, in dem die Kälber geboren wurden. Damit verbunden sind dann natürlich auch Kosten, die zukünftig von diesem Betrieb zu tragen sind.
Schauen wir daher etwas genauer hin, welche Folgen die neue Kälbertransportverordnung in der Praxis für Milchviehbetriebe mit sich bringt!

  • Neue Kälbertransportverordnung gilt ab Januar 2023
  • Transport erst ab dem 28. Lebenstag der Kälber zulässig
  • Weniger Stress für die Tiere, robustere Kälber und höheres Schlachtgewicht
  • Organisatorische und wirtschaftliche Folgen für Milchviehbetriebe

Vorteil Tiergesundheit: Robustere Kälber nach 28 Tagen

Einer der Gründe für die neue Transportverordnung ist der Tierschutz, da bei zwei Wochen alten Kälbern einerseits die Konzentration der Antikörper, die über das Kolostrum aufgenommen wurden, schon deutlich geringer ist – und andererseits das Immunsystem der Tiere erst ab etwa vier Wochen ausreichend belastbar ist. Gerade im Alter von etwa 14 bis 21 Tagen ist die sogenannte „immunologische Lücke“ bei den Tieren besonders groß und die Kälber sind entsprechend anfällig gegenüber Krankheitserregern. Der Ansatz zur Verbesserung des Tierwohls durch Entfall von Transportstress ist daher grundsätzlich zu begrüßen.

Die gesundheitlichen Auswirkungen im Hinblick auf das Transportalter der Kälber wurden in den Niederlanden in einer Studie untersucht, wobei tatsächlich positive Effekte festgestellt wurden1. Fast 700 Kälber aus 13 Milchviehbetrieben wurden dafür im Hinblick auf Gesundheitsstatus, Behandlungshäufigkeit, Gewichtsentwicklung und Schlachtgewicht erfasst. Das Ergebnis im Überblick:
  • Kälber, die schon nach 14 Tagen transportiert wurden, hatten am Tag vor dem Transport geringfügig zu 16 % häufiger Durchfallsymptome und 5 % höheren Arzneimitteleinsatz zum Beispiel durch Entzündungshemmer.
  • Kälber, die erst nach 28 Tagen transportiert wurden, waren im Durchschnitt bei Ankunft 12 kg schwerer und hatten letztlich ein um 15 kg höheres Schlachtgewicht.
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    Die später transportierten Tiere waren unterm Strich also gesundheitlich robuster und brachten ein höheres Schlachtgewicht auf die Waage, was ein Vorteil für den Mäster ist.

    Kuh guckt aus Transportwagen

Neue Aufgaben und organisatorische Folgen für die Milchviehhalter

 

Während sich der spätere Transport voraussichtlich positiv auf die Kälber auswirkt, verschieben sich allerdings die Aufgaben in der dritten und vierten Aufzuchtwoche hin zum Milchviehbetrieb.

Ganz konkret verdoppelt sich die Haltungsdauer der Verkaufskälber. Damit einher gehen neue Aufgaben, die bisher in der Regel erst nach dem 14. Lebenstag vom aufkaufenden Betrieb übernommen wurden. Zu nennen sind hier die gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen für die Jungtiere wie zum Beispiel die Impfung gegen Kälbergrippe oder auch durchzuführende Enthornungen. Diese Aufgaben in der verlängerten Aufzucht und die dabei entstehenden Kosten bleiben zukünftig beim Milchviehbetrieb.

Auch betriebsorganisatorisch hat die neue Verordnung große Auswirkungen: Die Anzahl der unterzubringenden jungen Kälber wird praktisch verdoppelt. Dementsprechend muss mehr Platz zur Verfügung stehen und wenn nötig müssen auch bauliche Veränderungen für die Kälber durchgeführt werden.

Zusätzlich ist zu beachten, dass für Kälber bis 14 Tagen und für die älteren Kälber ab dem 14. Lebenstag andere Haltungsbedingungen gelten. Zum Beispiel sind dann größere Boxenmaße vorgeschrieben: Die Boxen müssen dann statt nur 1,2 x 0,8 m mindestens 1,6 x 1,0 m groß sein, bei innenliegendem Trog sogar 1,8 x 1,0 m. Bei Unterbringung in Kleingruppen von bis zu drei Tieren müssen mindestens 4,5 m2 Grundfläche eingehalten werden, also 1,5 m2 pro Kalb. Da aktuell auch die Zukunft der Einzelhaltung in der Diskussion ist, sollte man bei nötigen Neuanschaffungen auf flexible Systeme achten, bei denen Trennwände herausgenommen werden können. Und nicht vergessen: Reserveboxen auch für den größeren Bestand einplanen!

Kälber an Tränkeeimern

Kostenfaktor Aufzucht vergrößert sich für die Milchviehbetriebe

Wenn wir über veränderte Haltungs- und Transportumstände sprechen, müssen wir auch die wirtschaftliche Seite betrachten. Auch hier kommen vor allem auf die Milchviehbetriebe deutlich höhere Belastungen zu, wenn sie Bullenkälber länger im Betrieb stehen haben.

Schon jetzt ist die Aufzuchtphase sehr kostenintensiv. Durch die verdoppelte Aufzuchtzeit bis zum Abtransport der Verkaufskälber entstehen weitere Kosten:

  • Steigerung der Futterkosten
  • Höhere Gesundheitskosten für Vorbeugung (Impfungen) und ggf. nötige Behandlungen bei Krankheiten
  • Höhere Personalkosten durch Arbeitsmehraufwand
  • Höhere Fixkosten für den Unterhalt der zusätzlichen Stallplätze
  • Höhere Energiekosten

Schon vorweg sind Kosten für Investitionen in zusätzlich nötige Kälberaufzuchtplätze zu beachten. Teilweise werden sogar Baugenehmigungen nötig sein, wenn Stallbereiche baulich vergrößert werden müssen. Steigen werden ebenfalls die Transportkosten pro Kalb. Die schwereren Tiere benötigen mehr Platz auf dem LKW und viele Fahrzeuge können dann auch nur zweistöckig statt dreistöckig fahren, so dass in einer Tour weniger Tiere transportiert werden können.

Wer am Ende all diese Kosten trägt, wird der Markt zeigen müssen. Theoretisch sollten die Milchviehhalter für die älteren Tiere auch höhere Verkaufserlöse bekommen. Auf jeden Fall muss darüber in der Branche verhandelt werden, damit die Belastungen nicht einseitig verteilt bleiben.

Mehr zur neuen Kälbertransportverordnung und zu den Aufzuchtkosten lesen Sie auch in unserem Interview mit Dipl.-Ing. Bernd Lühmann, einem Experten für Landwirtschaftsökonomie.

Quelle:
1 Marcato 2022

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