Wir freuen uns sehr, dass der leitende Stationstierarzt der Rinderunion Baden Württemberg Herr Lukas Demattio einen spannenden Artikel zum Thema Spermahandling für unseren Ceva Blog verfasst hat.
In der heutigen Zeit gibt es beim Rind keine Frage mehr: Das Sperma für die Besamung ist tiefgefroren. Im Grunde eine sehr praktische und sinnvolle Art der Lagerung, aber wie bekommt man das Sperma dann ohne Qualitätsminderung vom Lagerbehälter in die Kuh?
Die Erfahrung zeigt: In dieser kritischen Phase kann viel passieren. Im folgenden Text sollen die häufigsten und wichtigsten Stolpersteine, verbunden mit den Möglichkeiten der Vermeidung, angesprochen werden. Ein Text sowohl für „Einsteiger“, die sich weiterbilden möchten, als auch für „Profis“, die aus gut noch besser machen wollen.
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Der Umgang mit gefrorenem Sperma
Schon bevor eine Portion aufgetaut werden soll, drohen Gefahren für die Qualität. Ein wiederholtes Herausziehen des Hebers über die Öffnung des Behälters sorgt dafür, dass die Portionen Mal für Mal antauen und im Anschluss wieder eingefroren werden. Dies sorgt natürlich dafür, dass ein Teil der Spermien abstirbt. Noch schlimmer ist ein Herausnehmen der Portionen aus dem Behälter, um sie abzulesen und dann festzustellen: falscher Bulle. Die deutlich angetaute Portion wird zurück in den Stickstoff geworfen und ein erheblicher Teil der Spermien überlebt das Manöver nicht.
Was also tun?
Eine gute und übersichtliche Ordnung im Behälter ist von herausragender Bedeutung. Die Heber sollten mit Etiketten entsprechend ihres Inhaltes beschriftet sein, farbige Gobletts können zusätzlich helfen den Überblick zu behalten. Bei der Entnahme von Spermaportionen ist darauf zu achten, dass nur die Portion entnommen wird, die auch gebraucht wird und der Heber dabei maximal 5cm unter die Öffnung des Behälters heraufgezogen wird. Um das Sperma dann gut entnehmen zu können, empfiehlt sich die Verwendung einer Pinzette oder Entnahmeschere. Zudem hilft eine gute Beleuchtung bei der Entnahme aus dem optimal heraufgezogenen Heber.
Das Auftauen: Auf die Temperatur und die Zeit kommt es an
Albert Einstein hat es formuliert: Zeit ist relativ. Das gleiche gilt für die Temperatur. Das soll heißen: Jeder empfindet 11 Sekunden anders, ebenso 38°C. Die Temperatur und die Zeit müssen gemessen werden. Immer wieder versichern mir LandwirtInnen, sie seien durchaus in der Lage zu erfühlen, wann das Wasser die richtige Temperatur habe. Am Nachmessen sind bislang noch alle gescheitert. 38°C fühlen sich schon abhängig von der Außentemperatur mal wärmer und mal kühler an. Daher ist die Verwendung eines Thermometers unabdingbar. Auch die Verwendung eines Auftaugerätes entbindet nicht von der Pflicht zur Kontrolle. Immer wieder haben Geräte Fehlfunktionen und die gewünschte Temperatur wird nicht erreicht oder sogar überschritten. Gleiches gilt für die Auftaudauer: 11-15 Sekunden werden angestrebt und sollten unbedingt eingehalten werden.
Warum ist das so wichtig?
Aufgetautes Sperma darf nicht wieder kälter werden, das ist nämlich eine der sichersten Maßnahmen, um Spermien abzutöten. Wenn der Straw mit 0,25ml Sperma (Standard) 11 Sekunden in 38°C warmen Wasser liegt, hat das Sperma in etwa eine Temperatur von 25-27°C, diese ist bei fachgerechtem Transport zur Kuh leichter einzuhalten als eine Temperatur, die sich bei längerer Auftauzeit immer mehr an die 38°C annähert.
Mit dem aufgetauten Sperma zur Kuh
In dieser Phase findet ein Großteil der Spermienverluste statt. Für einmal aufgetaute Spermien ist es von herausragender Bedeutung, dass sie nicht mehr abkühlen, denn wenige Grad in die falsche Richtung machen bereits einen großen Effekt aus. Dabei ist zu beachten, dass das metallene Besamungsgerät vor dem Einführen des Samens vorgewärmt werden muss. Dies kann zum Beispiel durch Reiben mit einem sauberen Tuch erfolgen. Der Transport der vorbereiteten Samenpistole unter der Kleidung, direkt auf der Haut, ist aus Sicht des Warmhaltens natürlich sehr gut, aus hygienischer Sicht jedoch nicht optimal. Die Besamungspistole wird bei der Samenübertragung in die Gebärmutter des Rindes eingeführt, dabei gelangen alle Bakterien von der Haut an einen Ort, an welchem Sie optimale Bedingungen zur Vermehrung vorfinden.
Nach dem Besamungszeitpunkt beginnt der Östrogenspiegel zu sinken, die Konzentration des Hormones Progesteron steigt an und unterdrückt teilweise die Immunabwehr in der Gebärmutter. Das kann schon ausreichen, um den Bakterien, insbesondere, wenn eine größere Menge davon eingetragen wird, eine Ansiedlung im Uterus zu ermöglichen. Eine Reduktion des Besamungserfolges oder sogar eine Gebärmutterentzündung kann die Folge sein.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass natürlich auch der Penis des Bullen, im Fall eines Natursprunges, nicht keimfrei ist; der Bulle deponiert den Samen jedoch auch nur in der Scheide und nicht in der Gebärmutter. Das ist im Hinblick auf die Abwehrlage ein sehr großer Unterschied.
Besser ist es die vorbereitete Besamungspistole durch einen sanitären Überzug oder einen Besamungshandschuh zu schützen und dann auf der Haut warm zu halten. Alternativ kann auch ein so genannter „Gun-warmer“ verwendet werden, diese elektrisch beheizten Transporttaschen für Besamungsgeräte, sind jedoch verhältnismäßig teuer und oft schwierig sauber zu halten.
Informationen zur Besamungstauglichkeit finden Sie hier.
Die Hygiene
Ein hygienisch einwandfreies Arbeiten ist manchmal eine Herausforderung aber immer wichtig. Dazu gehört zum Beispiel, dass man die Vorbereitung der Samendosen mit sauberen Händen durchführt und auch die verwendeten Instrumente regelmäßig gereinigt werden. Die Scham des Rindes muss vor jeder Besamung von Verunreinigungen befreit werden, um ein sauberes Einführen des Besamungsgerätes zu ermöglichen. Hierbei haben sich sanitäre Überzüge bewährt diese schützen die eigentliche Besamungspistole und werden vor dem Einführen in die Gebärmutter zurückgezogen.
Gesextes Sperma
Grundsätzlich kann gesextes Sperma, mit einigen Einschränkungen, wie konventionelles Sperma behandelt werden.
In einer Portion gesexten Samens sind deutlich weniger Spermien enthalten als in einer konventionellen Portion. Das bedeutet, dass noch mehr Sorgfalt notwendig ist, damit bei der Besamung ausreichend vitale, vorwärtsbewegliche Samenzellen zur Verfügung stehen. Manche Hersteller machen besondere Vorgaben für die Auftauzeit und -temperatur. Diesen ist im Einzelfall Rechnung zu tragen ohne dabei jedoch die oben genannten Grundsätze außer Acht zu lassen.
Fazit
Vielleicht werden Sie jetzt denken: „Das sind doch alles Kleinigkeiten, was sollen die schon ausmachen?!“.
Im Grunde ist das richtig, es handelt sich um viele Kleinigkeiten, die jedoch in der Summe über Erfolg und Misserfolg entscheiden, bzw. den Unterschied zwischen mittelmäßig und sehr gut ausmachen.
Es ist enorm wichtig, sich immer wieder selbst zu hinterfragen. Viele kleine Schritten führen am Ende zum Erfolg oder eben nicht. Ordnung, Hygiene und ein konsequentes Zeit- und Temperaturmanagement sind die wichtigsten Säulen, auf denen ein sehr guter Umgang mit TG-Sperma beruht.