Kennen Sie das? Sie kommen morgens in den Stall und Kuh 205 (Ulme) hat krustige, borkige Stellen am Hals, Kuh 311 (Erle) scheuert sich heftig am Fressgitter, an einigen Stellen sieht man schon Blut – und auch Ihre Lieblinge Esche und Weide zeigen Veränderungen – es sieht aus, als hätte jemand Löcher ins Fell geschoren. Was kann das sein??
Schnell öffnen wir bei Google alle möglichen Bilder zu Hauterkrankungen beim Rind und versuchen verzweifelt, passende Treffer zu den krustigen Stellen von Ulme zu finden.
Aber sind wir mal ehrlich: das funktioniert genau so wenig wie Krankheiten von Menschen zu googeln - außer, man möchte die Kuh direkt zum Schlachter geben, weil sie sicherlich einen unheilbaren Tumor hat, man mit ihr nicht mehr wirtschaften kann und das Internet ihr nur noch 2 Wochen zum Leben gibt.
Damit Sie nicht direkt panisch den Viehtransporter rufen müssen, erklären wir Ihnen in diesem Beitrag die 2 wichtigsten Hauterkrankungen beim Rind.
Hierbei unterscheiden wir zwischen parasitären und pilzigen Hauterkrankungen.
In meinem Beitrag erfahren Sie:
- Warum Sie Hauterkrankungen bei Ihren Kühen ernst nehmen sollten
- Welche Verursacher dahinterstecken und warum es so wichtig ist, die beiden auseinander zu halten
- Welche Behandlungsmethode hilft bei welcher Rinderhauterkrankung?
Es juckt und schuppt
Warum sollten Sie Hauterkrankungen erst nehmen?
Neben dem Faktor Tierwohl gibt es auch noch wirtschaftliche Aspekte:
- Der starke Juckreiz führt zu Unruhe und Stress für unsere Tiere, die Futteraufnahme sinkt
- Durch das Wundscheuern kommt es zu Hautschäden (Leder)
- Der Verkauf ist erschwert oder unmöglich
Zusätzlich können durch kleine Wunden, die aufgrund starken Scheuerns entstehen, Bakterien oder Pilzsporen in die Haut eindringen.
Das große Krabbeln - Parasitäre Hauterkrankungen
Noch vor 100 Jahren hatten unsere Großeltern nicht viele Möglichkeiten, Parasiten zu unterscheiden oder zu behandeln. Heute sind wir weiter, dank besserer Untersuchungsmethoden und moderner Antiparasitika.
Hier die möglichen Übeltäter
Läuse
- Haematopinus eurysternus
- Lignathus vituli
- Solenopotes capillatus
Ein Befall mit Läusen äußert sich hauptsächlich durch starken Juckreiz, haarlose Stellen und Unruhe der betroffenen Tiere.
Die erwachsenen Läuse und ihre Eier (Nissen) können wir mit bloßem Auge erkennen – meist an ihren bevorzugten Saugstellen wie Nacken, Rücken und Schwanzwurzel.
Ihre Möglichkeiten gegen Läuse vorzugehen:
Hier bieten sich Antiparasitika prophylaktisch oder therapeutisch an.
Sie haben die Möglichkeit, makrozyklische Laktone (=Avermectine/Milbemycine) als Aufgusspräparat oder als Injektion, die eine längere Wirkdauer hervorruft, zu verwenden.
Milben - die Verursacher der Räude
- Grabmilben (Sarcoptes bovis)
- Saugmilben (Psoroptes ovis )
- Nagemilben (Chorioptes bovis)
Die verschiedenen Räudeformen äußern sich mit starkem Juckreiz, Hautverdickungen, u.a. Haarausfall, Krusten und Borken.
Bei der Identifizierung nutzen wir die Lokalisation der Räude – im Kopfbereich finden wir meist die Kopfräude (Sarcoptes spp.)
Die Körperräude kommt am häufigsten vor, wir sehen sie am ganzen Körper (Chorioptes spp.)
Am Schwanz und an den Beinen finden wir die Fußräude (Psoroptes spp.).
Um sicher zu gehen, kommen wir aber nicht umhin, ein Hautgeschabsel zu nehmen (nehmen zu lassen).
Vorbeugend oder als Behandlung:
Sie haben auch hier die Möglichkeit, makrozyklische Laktone (=Avermectine/Milbemycine) als Aufgusspräparat (lokal) oder als Injektion (systemisch), die eine längere Wirkdauer hervorruft, zu verwenden.
Haarlinge
- Bovicola (Damalinia) bovis
Was bemerken wir am Tier?
Wieder einen starken Juckreiz und Haarverlust (durch Scheuern) – „Mottenfraß“.
Behandlung:
Avermectine als Pour-on sind ein geeignetes Mittel der Wahl.
Dassellarven
- Hypoderma bovis
- Hypoderma lineatum
Erkennbar und kaum zu verwechseln zeigen sich im Frühjahr „Dasselbeulen“ auf dem Rücken der Tiere.
Avermectine sind das Mittel der Wahl, um die Wanderlarven abzutöten – aber unbedingt vor Dezember, da sich sonst die Larven auf ihrem Weg schon im Rückenmarkskanal befinden können.
Hautpilze bei Kühen – erst nach Monaten kommen sie ans Licht
- Kälberflechte (Trichophytie) - Trichophyton verrucosum
- Trichophyton mentagrophytes (Hauptwirt Nagetiere)
- Microsporum canis (Hauptwirt Hund)
Vernachlässigen können wir die Hautpilze von Hund und Nager – nur aus Versehen kommen unsere Kühe damit in Kontakt. Am bekanntesten ist der Verursacher der Rinder-/Kälber/ bzw. -Glatzflechte, lateinisch auch Trichophytie genannt.
Die klassischen Merkmale der Flechte Erkrankung sind rundlich-ovale haarlose Bezirke mit schuppigen Belägen, gerne im Kopfbereich. Aber - und das ist das gute Unterscheidungsmerkmal zu den parasitär verursachten Hauterkrankungen, kaum Juckreiz!
Alles zum Thema Rinderflechte erfahren Sie in unserem Blogartikel "Die wichtigsten Infos zur Rinderflechte in der Nutztierhaltung" .
Wenn es als Zoonose beim Menschen auftritt ist das ganz anders – hier sehen wir einen starken Juckreiz. Mehr zur Erkrankung von Menschen an Rinderflechte lesen Sie hier.
Zum Glück können wir mit einer Impfung – am besten schon prophylaktisch direkt nach der Geburt – die Tiere vor einer Infektion schützen.
Warum ist das so wichtig?
Wenn der Pilz sich erstmal in der Haut vermehrt hat, ist es deutlich schwieriger, ihn einzudämmen!
Wir können nur noch mit einer Impfung versuchen, eine schnellere Abheilung zu erreichen und/oder zusätzlich das ganze Tier mit Imidazolen (Erklärung Imidazole) zu waschen.
Aber im Gegensatz zur prophylaktischen Impfung dauert es sehr lange, bis die Hautveränderungen abgeheilt und das Haarkleid unserer Tiere wieder glatt und glänzend sind. Das kostet Zeit und Geld!
Parasiten oder Pilz?
Zurück auf Anfang:
Wir schauen uns nun Ulme und Erle genauer an – an den veränderten Stellen ist die Haut verdickt – unser Verdacht – Räude.
Doch wir wollen Sicherheit haben – also greife ich zum Telefon und rufe unseren Hoftierarzt Dr. Müller an.
Er nimmt ein Hautgeschabsel und nach der Untersuchung wissen wir Bescheid – Ulme hat Kopfräude, die Grabmilbe hat die Probleme verursacht.
Jetzt geht sein Blick zu Esche und Weide und ich ahne schon – das ist keine Räude …
Und ich soll Recht behalten, die Verdachtsdiagnose Rinderflechte ist nach der Untersuchung von Esche zu 95% bestätigt. Eine Pilzuntersuchung im Labor, die recht lange dauert, schenken wir uns.
Warum sollten wir die Ursachen kennen???
Jetzt, wo wir wissen, was/wer der Verursacher der Hautprobleme sind, können wir handeln.
Gegen Parasiten fast jeder Art können wir mit Antiparasitika (die unser Tierarzt uns empfiehlt) schon vor dem sichtbaren Befall etwas machen.
Das ist keine neue Erkenntnis, und fast jeder behandelt heutzutage seine Herde prophylaktisch.
Doch bei Flechte warten wir immer noch, bis es zu spät – sprich teuer und zeitaufwendig ist!
Auch hier können Sie Ihren ganzen Bestand schon als Kälber durch Impfung schützen.
Bildquellen:
Rinderskript.net
Comprerural.com