Kälber auf der Weide

Antibiotikaresistenzen vermeiden – nur ein Thema für die Landwirtschaft?

Sarah Vorbeck

·

16.02.2021

·

4 Min. Lesezeit

Um Bakterien abzutöten oder zumindest das Wachstum zu hemmen setzen wir Antibiotika ein. Bei falschem oder häufigem Einsatz kann es jedoch zu Resistenzen kommen, was bedeutet, dass sie nicht mehr wirken. Dies kann fatale Folgen für Mensch und Tier haben.

Immer wieder spukt in den Köpfen der Menschen dieses böse Wort „Antibiotikaresistenz“ umher – insbesondere im Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung. Schuld daran sind sicherlich unter anderem Lebensmittelskandale, die sich um Antibiotika im Futter der Tiere drehen, die zum schnelleren Wachstum führen oder gar Krankheiten gar nicht erst ausbrechen lassen sollen. Aber leider auch immer wieder antibiotikaresistente Keime, die sich auf Fleisch nachweisen lassen.

Ist es wirklich so einfach, nur die Landwirtschaft dafür verantwortlich zu machen? Die Antwort ist: NEIN!

Aber wo stehen wir heute beim Antibiotikaeinsatz? Was können Tierärzte, Landwirte, Firmen und ja auch wir Endverbraucher tun, um Resistenzen vorzubeugen?

In diesem Artikel erfahren Sie:

  • Wie werden Antibiotika in der Nutztierhaltung aktuell eingesetzt?
  • Wie entsteht eine Antibiotikaresistenz?
  • Wer kann wie dazu beitragen, Resistenzen in Zukunft zu verhindern?


Braune Mastkälber auf Weide

Wie werden Antibiotika in der Nutztierhaltung aktuell eingesetzt?

Zunächst einmal gilt es, der Tiermedizin ein großes Kompliment auszusprechen:

In nur 8 Jahren konnte der Antibiotikaeinsatz bis 2019 um 60,7 % reduziert werden.1

Bereits im Jahre 2000 beschloss der Europarat, die pauschale Verabreichung von Antibiotika im Tierfutter zu verbieten.

Nicht zuletzt die Änderungen der TäHav im Jahre 2018 haben noch einmal zu einer erheblichen Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes in der Nutztierhaltung beigetragen.

So dürfen Reserveantibiotika, also Antibiotika, die zur Bekämpfung schwerwiegende Erkrankungen vorgesehen sind, nur noch unter strengen Auflagen verabreicht werden.

Zudem wird, besonders im Rinderbereich, mehr und mehr Wert auf die Betrachtung des Einzeltieres gelegt und nicht immer pauschal eine Tiergruppe „auf Verdacht“ behandelt, nur weil 1 oder 2 Tiere Symptome zeigen.

So lassen sich kranke Tiere früher von der Herde isolieren und individuell behandeln. Hierzu tragen die Landwirte einen großen Teil bei: sie sind immer besser geschult und stets bemüht ihr Management zu verbessern, um so kranke Tiere frühzeitig zu erkennen, sodass der Tierarzt schneller eingreifen kann.

Wie entsteht eine Antibiotikaresistenz?

Wir Menschen gehen zu sorglos mit Antibiotika um, was in hohem Maße die Resistenzbildung fördert.

Resistenzen entstehen, indem die Bakterien gegenüber Antibiotika unempfänglich werden.

Je häufiger ein Antibiotikum eingesetzt wird, desto mehr Resistenzen bilden die Bakterien gegen diesen Wirkstoff und die Wirksamkeit geht verloren. Resistenzen bei Bakterien entstehen durch die Mutation ihres Erbgutes und diese Resistenzen werden dann in Form eines veränderten Erbgutes weitergegeben.

Dies passiert besonders an Orten, bei denen viel Medikation zum Einsatz kommt, wie zum Beispiel in Krankenhäusern oder der Landwirtschaft. Aber auch in der Bevölkerung selbst, in der Nahrungsmittelkette und direkt an Produktionsstätten – insbesondere in Drittländern - in denen die Auflagen lascher sind und somit zum Beispiel das Abwasser aus der Fabrik in umliegende Gewässer gelangen kann.

Wer kann wie dazu beitragen, Resistenzen in Zukunft zu minimieren?

Seit dem Jahr 2000 wurden lediglich 2 neue Antibiotika auf den Markt gebracht.2 Die Entwicklung eines neuen Präparates ist sehr aufwändig und kostspielig. Dies zeigt noch einmal deutlich, wie wichtig der verantwortungsvolle Umgang mit diesen Medikamenten ist. Klar ist, wir können Resistenzbildungen nicht verhindern, aber verlangsamen.

Was für einen Beitrag im Umgang mit Antibiotika können wir also leisten?

Tierärzte und Landwirte:

  • Vermeidung von Krankheitsausbrüchen durch entsprechende Haltungs- und Hygienemaßnahmen
  • Kontinuierliche Weiterbildungen für alle Betriebsmitarbeiter zur Früherkennung möglicher Krankheitsausbrüche in Kombination mit einem guten Management
  • Verantwortungsvoller und korrekter Einsatz der Medikamente
  • Mehr Aufklärung gegenüber dem Verbraucher – kaum jemand kennt Wartezeitenregulierungen, Schlachtrichtlinien etc.

 

Pharmaunternehmen und sonstige Industrie:

  • Verantwortungsvolle und nachhaltige Produktionsbedingungen weltweit
  • Erarbeitung von Verpackungskonzepten, die die Anwendung der Präparate z.B. im Stall sicherer machen (Minimierung von Flaschenbruch, ungewünschtes Austreten von Flüssigkeiten, einfache Handhabung, keine aufwirbelnden Pulver, etc.)
  • Kontinuierliche Erforschung von Impfstoffen, um so Krankheitsausbrüchen vorzubeugen und den Antibiotikaeinsatz verzichtbarer zu machen

Ceva Tiergesundheit hat hierzu bereits vor Jahren die CLAS-Flasche auf den Markt gebracht, um so Bruchverluste von Antibiotikapräparaten in den Ställen zu minimieren. Mehr zur CLAS-Flasche erfahren Sie hier.

 

Verbraucher:

  • Gemäßigter Konsum von Fleisch, Eiern und anderen Massentierhaltungsprodukten
  • Verantwortungsvolles Einkaufen von regionalen Produkten, am besten direkt vom Bauern – so kann sich jeder selbst ein Bild von der Herkunft seiner Produkte machen
  • Antibiotika vom Arzt nur im Notfall verschreiben lassen: bei einer Erkältung können auch schon Hausmittel helfen
  • Antibiotika nur einnehmen, wenn sich Bakterien nachweisen lassen - bei Viren sind sie wirkungslos
  • Antibiotika korrekt einnehmen: Behandlung z.B. nicht frühzeitig abbrechen, nur weil die Symptome abgeklungen sind oder Antibiotikum niedriger dosieren als verordnet
schwarz weiß Bild mit Kälbchenkopf

Fazit: ein Wettlauf gegen die Zeit

Zur Verlangsamung von Resistenzbildungen kann nur beigetragen werden, wenn die Welt an einem Strang zieht. Deutschland hat hier in den letzten Jahren tolle Fortschritte gemacht, jedoch ist der Antibiotikaeinsatz schon in den EU-Nachbarländern noch deutlich zu hoch, mit Blick auf den weltweiten Einsatz mal ganz abgesehen.

Nicht nur rechtlich, sondern auch menschlich gesehen ist dem verantwortungsvollen, therapeutischen Einsatz von Antibiotika bei Mensch und Tier - vor allem auch bei unseren Nutztieren - nichts entgegen zu setzen. Im Gegenteil, Antibiotika retten Leben.

Daher muss jeder Einzelne dazu beitragen, dass wir noch lange was von Ihnen haben werden.

Quellen:

1https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/05_tierarzneimittel/2020/2020_07_29_PI_Antibiotikaabgabe.html

2https://www.merckgroup.com/de/research/science-space/envisioning-tomorrow/precision-medicine/multidrug-resistance.html

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