Kuh und Kalb stehen auf der Weide.

Hilfe, meine Kuh kalbt! Wann solltest du den Tierarzt rufen?

Inga Oestereich

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18.12.2025

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7 Min. Lesezeit

Du hast es schon erwartet. Bei der Abendrunde schaust du noch mal bei der Abkalbebox vorbei. Und wirklich, dein Gefühl hat dich nicht getäuscht, bei Liselotte geht’s los. Jetzt heißt es: Ruhe bewahren und genau hinschauen. Denn die große Frage ist – muss ich eingreifen oder läuft alles nach Plan?

Genau darum geht's in diesem Artikel. Ich zeige dir:

  • Wie eine normale Geburt abläuft
  • Wann du entspannt bleiben kannst
  • Welche Warnzeichen du auf keinen Fall ignorieren darfst
  • Was bei einer schwierigen Geburt zu tun ist

9 Monate Warten – und dann geht's los!

Nach durchschnittlich 280 Tagen (also rund 9 Monaten) ist es soweit. Deine Kuh hat lange genug gewartet, das Kalb will raus. Aber woran erkennst du, dass es jetzt wirklich losgeht?

Die ersten Signale sind meist ziemlich deutlich. Sie dauern ca. 2-3 Wochen an.

Die Beckenbänder fallen ein. Wenn du von hinten auf deine Kuh schaust, siehst du rechts und links vom Schwanzansatz zwei Vertiefungen – das sind die eingefallenen Beckenbänder. Ein ziemlich sicheres Zeichen.

Die Scham schwillt an. Die Vulva wird dicker und lockerer. Manche Kühe haben auch schon zähen Schleim am Schwanz kleben – der Schleimpfropf geht ab.

Das Euter wird prall (Aufeutern). Die Zitzen sind voll mit Milch, manchmal tropft's auch schon raus. Deine Kuh ist startklar.

Jetzt wird's unruhig. Sie läuft hin und her, legt sich hin, steht wieder auf, geht häufig zur Bürste und / oder guckt sich den Bauch an. Manche Kühe werden richtig nervös, vor allem wenn die Umgebung stressig ist. Völlig normal – schließlich steht da was Großes an! 

So läuft eine normale Geburt ab

Eine Geburt ohne Komplikationen – das wünschen wir uns alle. Und tatsächlich schaffen das die meisten Kühe ganz alleine. Aber wie sieht so eine Bilderbuchgeburt eigentlich aus?

Phase 1: Vorbereitung (6-16 Stunden) Die Hormone spielen verrückt. Das Progesteron fällt ab, Östrogene steigen, Oxytocin wird produziert. Die Kuh wird unruhig, frisst vielleicht weniger, zieht sich zurück. Von außen nicht sichtbar öffnet sich der Muttermund langsam.

Phase 2: Dilatation / Aufweitung (30 Minuten bis 2 Stunden bei Kühen, bis zu 6 Stunden bei Färsen) Jetzt geht's richtig los. Die Wehen kommen, das Kalb dreht sich, streckt sich und macht sich bereit. Kopf und Vorderbeine nach vorne – wie ein kleiner Taucher. Das ist die perfekte Position für den Weg nach draußen. Die Fruchtblase platzt, die Vorderbeine erscheinen, dann der Kopf, dann der Rest. Reisse die Fruchtblase nicht auf. Diese weitet nämlich die Geburtswege, was sehr wichtig ist. Die meisten Kühe legen sich dabei auf die Seite.

Phase 3: Austreibungsphase (ca. 3 bis 15 Min)
Ist der Kopf sichtbar, dauert die Geburt normalerweise nur noch wenige Minuten. Und jetzt kommt was Wichtiges: Das Kalb wird bei jeder Wehe etwa 2-3 cm nach vorne geschoben und rutscht in der Wehenpause wieder 1-2 cm zurück. Das ist völlig normal! Also nicht gleich in Panik verfallen. Wenn alles glatt geht, kommt das Kalb von ganz allein. Wenn Du in dieser Phase unnötig eingreifst, setzt Du das Tier unter Stress und erhöhst gleichzeitig das Risiko, Keime in die Gebärmutter einzubringen, was häufig zu einer Gebärmutterentzündung führt.

Phase 4: Nachgeburt (bis zu 12 Stunden) Nach dem Kalb kommt die Plazenta. Die sollte innerhalb von 12 Stunden abgehen. Wenn sie nach 24 Stunden noch hängt, spricht man von einer Nachgeburtsverhaltung – und dann solltest du deinen Tierarzt rufen.

Lies auch: Ausfluss beim Rind - Was man bei Nachgeburtsbetreuung beachten muss!

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Wann wird's kritisch? Diese Warnsignale musst du kennen!

Jetzt kommen wir zum wichtigsten Teil. Denn manchmal läuft's eben nicht nach Plan. Und dann musst du schnell erkennen: Jetzt musst Du Hilfe holen – d.h. den Tierarzt anrufen!

Alarmsignal Nr. 1: Die Geburt kommt nicht voran

Deine Kuh hat starke Wehen, aber es tut sich nichts? Nach 1-2 Stunden (bei Färsen 3-4 Stunden!) sollten die Klauen sichtbar sein. Wenn nicht – Zeit zu handeln.

Auch wenn die Geburt einfach stehen bleibt, obwohl die Wehen weitergehen, ist das ein klares Zeichen. Das Kalb sitzt fest oder liegt falsch.

Alarmsignal Nr. 2: Die Kuh steht ständig auf und legt sich wieder hin

Klar, eine gewisse Unruhe ist normal. Aber wenn deine Kuh sich einfach nicht hinlegen will oder ständig aufspringt, könnte das bedeuten: Das Kalb liegt nicht richtig. Die Kuh spürt, dass was nicht stimmt.

Alarmsignal Nr. 3: Keine oder schwache Wehen

Die Geburt sollte eigentlich in vollem Gange sein, aber die Wehen sind schwach oder fehlen komplett? Das kann verschiedene Gründe haben – Kalziummangel (Milchfieber!), Erschöpfung oder andere Stoffwechselprobleme.

Alarmsignal Nr. 4: Falsche Lage des Kalbes

Du siehst schon Teile vom Kalb – aber irgendwas stimmt nicht?

Normal ist:

  • Vorderendlage: Beide Vorderbeine, Kopf dazwischen (wie beim Tauchen)
  • Hinterendlage: Beide Hinterbeine, Po nach oben

Alles andere ist problematisch:

  • Nur ein oder gar kein Bein zu sehen
  • Der Kopf ist umgeschlagen
  • Das Kalb liegt quer
  • Bei Zwillingen kommen beide gleichzeitig

Alarmsignal Nr. 5: Die Kuh zeigt starke Schmerzen oder wird apathisch

Eine Geburt ist anstrengend, klar. Aber wenn deine Kuh extrem leidet, sich total zurückzieht oder apathisch wird – das ist nicht normal. Genau hinschauen und ggf. den Tierarzt anrufen!

Alarmsignal Nr. 6: Blutungen

Ein bisschen blutiger Schleim ist okay. Aber wenn du wirklich viel Blut siehst – sofort den Tierarzt rufen. Das kann auf innere Verletzungen hindeuten.

Alarmsignal Nr. 7: Das Kalb ist zu groß

Manchmal passt's einfach nicht. Besonders bei Färsen kann das Kalb im Verhältnis zum Becken zu groß sein. Wenn du bei der Untersuchung merkst, dass es viel zu eng ist – besser früher als später den Tierarzt holen.

Alarmsignal Nr. 8: Du kommst gar nicht ans Kalb 

Entweder hat sich der Muttermund nicht geöffnet oder die Gebärmutter ist verdreht. Hier ist der Tierarzt schnell gefragt.

Was tun, wenn's kritisch wird?

Erstmal: Ruhe bewahren!

Ich weiß, leichter gesagt als getan. Aber dein Stress überträgt sich auf die Kuh. Also tief durchatmen.

Untersuchen – aber richtig!

Den Geburtskittel hast du hoffentlich schon an. Hände und Arme vorher gründlich mit warmem (!) Wasser und Seife waschen, dann Handschuhe anziehen. Nun die Scham der Kuh ebenfalls mit warmem, sauberem Wasser waschen. Gleitschleim in großen Mengen auf Handschuhe und Scham auftragen. Dann vorsichtig untersuchen: Wo ist der Kopf? Wo sind die Beine? Liegt das Kalb richtig?

Achtung! Hast Du Q-Fieber in deinem Betrieb? Dann setze bitte JETZT auch eine Atemschutzmaske auf. Denn die Coxiellen - die Bakterien, die Q-Fieber übertragen – werden durch die Luft verbreitet und insbesondere bei Geburten in Milliardenanzahl ausgestoßen.

Lies auch: Q-Fieber bei Menschen: Schwere akute und chronische Erkrankungen möglich

Bei normaler Lage: Geburtshilfe leisten

Wenn das Kalb richtig liegt, aber einfach nicht rauskommt, kannst du helfen:

  • Erst mal mit den Händen den Geburtsweg aufweiten
  • Reichlich Gleitgel verwenden
  • Langsam, mit der Wehe, mit Pausen!
  • Maximal mit der Kraft von zwei Männern ziehen (ohne Hilfsmittel)
  • Abwechselnd an den Beinen ziehen – das dreht den Schultergürtel schräg und macht's leichter

Wichtig: Wenn du einen mechanischen Geburtshelfer benutzt, sei extrem vorsichtig. Die Geräte übertragen enorme Kräfte. Zu schnell und zu fest ziehen führt zu Verletzungen bei Kuh und Kalb! Und denke daran: immer nur während einer Wehe ziehen!

Menschen helfen dem Kalb bei der Geburt im Stall.

Bei abnormaler Lage: Tierarzt rufen!

Wenn das Kalb falsch liegt, zu groß ist oder sich irgendwas komisch anfühlt – hol den Tierarzt. Je früher, desto besser die Chancen für beide. Manche Sachen wie Gebärmutterdrehungen oder extreme Fehllagen kannst du nicht selbst lösen.

Lies auch: Von Anfang an gesund: So leisten Sie richtig Geburtshilfe beim Rind

Nach der Geburt: Jetzt bloß nicht nachlässig werden!

Die Geburt ist geschafft – super! Aber deine Arbeit ist noch nicht ganz zu Ende. Nach einer erfolgreichen Geburt gilt: Zuerst das Kalb, dann die Kuh.

Für das Kalb:

  • Schleim aus Nase und Maul ausstreichen
  • Atmung überprüfen und anregen (mit Stroh abrubbeln oder einmalig Kaltwasserguss in den Nacken) – kopfüber aufhängen ist obsolet!
  • Nabel kontrollieren und desinfizieren
  • Abtrocknen lassen (am besten von der Mutter – das stimuliert beide!)
  • Schnell Kolostrum geben! In der ersten Lebensstunde trinken Kälber am bereitwilligsten – mindestens 3 Liter (besser 4 Liter) innerhalb der ersten 3 Lebensstunden, zur Not drenchen

Lies auch 7 wertvolle Tipps für ein gutes Kolostrum-Management

Für die Kuh:

  • Nach dem Auszug auf Verletzungen oder weitere Kälber kontrollieren
  • Sofort lauwarmes Wasser anbieten (bis zu 60 Liter!)
  • Nachgeburt kontrollieren (sollte nach 12-24 Stunden abgehen)
  • Die nächsten Tage täglich Fieber messen
  • Auf Gebärmutterentzündung achten (Abgang von eitrigen Sekreten, intensiver Gestank aus der Scheide)

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Notfall Gebärmuttervorfall - Warum presst die Kuh nach der Geburt?

Fazit: Beobachten, nicht hektisch werden

Die meisten Geburten laufen problemlos ab. Wirklich! Deine Kuh ist ein Naturtalent. Aber – und das ist das große Aber – du musst die Warnsignale kennen. Dann kannst du im richtigen Moment eingreifen.

Merk dir diese Faustregel: Eine normale Geburt braucht Zeit, aber sie sollte stetig vorangehen. Wenn stundenlang nichts passiert oder du eines der Alarmsignale bemerkst – dann ist's Zeit zu handeln.

Und ganz ehrlich? Lieber einmal zu viel den Tierarzt gerufen als einmal zu wenig. Eine schwierige Geburt kann nicht nur die aktuelle Laktation verhageln, sondern die ganze zukünftige Fruchtbarkeit deiner Kuh beeinträchtigen. Von den Kosten für Behandlungen und Ausfälle ganz zu schweigen. 

Also: Augen auf, Ruhe bewahren und im Zweifel lieber eingreifen. Dann steht einem guten Start ins Leben und in die nächste Laktation nichts mehr im Weg!

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