Landwirtin im Stall am Futtertisch

Schwanger als Landwirtin? Über diese Wiederkäuer-Krankheiten solltest du Bescheid wissen

Inga Oestereich

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1.09.2025

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4 Min. Lesezeit

Neulich stand ich wieder in einem Milchviehstall, als mich eine junge Betriebsleiterin zur Seite nahm. Sie sah mich ernst an und sagte: „Du, ich muss dir was sagen … ich bin schwanger. Aber ich will trotzdem weiter mithelfen.“ In diesem Moment lief bei mir sofort das tierärztliche Warnsystem auf Hochtouren. Nicht, weil ich mich nicht für sie gefreut habe – im Gegenteil! – sondern weil mir sofort die Risiken einfielen, die eine Schwangerschaft im Stall mit sich bringen kann. Viele unterschätzen das. Und ich will heute genau darüber sprechen, weil ich schon Fälle erlebt habe, in denen fehlendes Wissen schlimme Konsequenzen hatte – bis hin zu Totgeburten.

Also: Wenn du oder jemand anderes im Betrieb schwanger ist oder es bald sein könnte, lies unbedingt weiter.

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Warum das Thema so wichtig ist

Als Landwirt bzw. Landwirtin bist du nah an deinen Tieren – und damit auch an den Erregern, die sie in sich tragen. Einige davon können für dich oder ein ungeborenes Kind gefährlich werden. Diese Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragbar sind, nennt man Zoonosen. Manche verlaufen harmlos, andere können jedoch zu ernsten Komplikationen bis hin zu Fehl- oder Totgeburten führen.

Ich nenne dir die wichtigsten Risiken, die du kennen solltest.

1. Q-Fieber – der „unsichtbare Feind“

Wenn es um Schwangerschaft und Wiederkäuer geht, ist Q-Fieber die Krankheit, die ich am häufigsten anspreche. 

Erreger: Coxiella burnetii/Coxiellen, ein Bakterium, das vor allem bei Schafen und Ziegen vorkommt, aber auch bei Rindern. Gefährlich für wen? Vor allem Menschen mit engem Tierkontakt. Schon das Einatmen erregerhaltiger Staubpartikel kann zur Ansteckung führen. Besonders riskant: Geburtshilfen, Kontakt mit Nachgeburten, aber auch einfach das Reinigen des Stalles. 

Warum ist Q-Fieberbefall einer Herde schlimm in der Schwangerschaft? Q-Fieber kann beim Menschen Fehlgeburten, Totgeburten oder eine Frühgeburt verursachen – auch dann, wenn man selbst kaum Symptome hat.

Mein Tipp: Wenn eine Ziege, Schaf oder Kuh kalbt oder lammt, sollten Schwangere Abstand halten! Keine Geburtshilfe, kein Kontakt zu Nachgeburten oder Fruchtwasser. Und: Stallschutzkleidung und Atemschutz (mindestens FFP2) sind Pflicht, wenn Schwangere in der Nähe sind. Pro Gramm Nachgeburt werden bis zu 1 Milliarde Coxiellen ausgestoßen und bereits 10 Stück reichen für eine Ansteckung aus1, 2. Generell empfehle ich immer eine Maske zu tragen, wenn eine Q-Fieber Infektion der kalbenden Kuh oder einer lammenden Ziege/Schaf bekannt ist, denn auch Männer oder Nicht-Schwangere stecken sich sehr leicht mit Q-Fieber an. Laut einer Studie1 haben 70% die Rinder- und Schafhaltenden sowie Tierärzte bzw. Tierärztinnen einen Antikörpertiter gegen Q-Fieber.

Bei jeder Geburtshilfe (egal ob selbst schwanger oder nicht) gilt jedoch: mindestens Handschuhe sind Pflicht.

Lies auch Q-Fieber bei Menschen: Schwere akute und chronische Erkrankungen möglich

2. Listeriose – steckt auch in Silage

Listerien lieben schlecht vergorene Silage – und sie können auch dich infizieren. Für gesunde Erwachsene ist das meist kein Drama, aber in der Schwangerschaft kann es tragisch enden.

Risiko: Fehl- oder Totgeburten, Infektionen beim Neugeborenen.

Wo lauert die Gefahr? Beim Füttern von Silage, besonders wenn sie warm ist oder schimmelig riecht.

Extra-Falle: Listerien findest du auch in Rohmilch und Rohmilchkäse. Also: In der Schwangerschaft lieber Finger weg von unbehandelter Milch und Weichkäse aus Rohmilch!

3. Durchfallerreger: Salmonellen, E.coli, Kryptosporidien und Campylobacter

Klingt erstmal „nur“ nach Magen-Darm, oder? Stimmt – aber ein schwerer Durchfall kann in der Schwangerschaft Kreislaufprobleme auslösen, die gefährlich fürs Kind sind.

Wo lauern sie? In Kot, Milch oder sogar auf kontaminierten Oberflächen.

Schutz: Immer Handschuhe tragen, gründlich Hände waschen und keine Rohmilchprodukte verzehren.

Und nicht nur Krankheiten … Neben den Zoonosen gibt es im Stall noch andere Gefahren, die in der Schwangerschaft nicht unterschätzt werden dürfen:

Schwere körperliche Arbeit: Entmisten, Strohballen o.ä. schleppen, oder auch schweres Melkzeug transportieren – das kann zu vorzeitigen Wehen führen.

Gefahr durch’s liebe Tier: Die riesigen 650kg schweren, schwarz-weißen Damen meint das oft nicht so, aber sie können sowohl treten, als auch schubsen oder dich simpel mal über den Haufen rennen. Und dann haben wir noch nicht über diese leidigen Hörner geredet.

Stress und Übermüdung: Klingt banal, ist auch daran sollte gedacht werden. Gerade nachts werden Schwangere oft wach und sind tagsüber häufig müde und auch schneller erschöpft. Wenn dann noch Stress dazukommt, können leicht Schwangerschaftskomplikationen auftreten. Also öfter mal eine Pause einlegen und Füße hoch!

 

Was kannst du tun?

  1. Sprich offen darüber: Informiere deinen Tierarzt und deinen Betriebsleiter frühzeitig. So kann man gemeinsam den Arbeitsplan anpassen.
  2. Hygiene ist alles: Handschuhe, Atemschutz, Arbeitskleidung und gründliches Händewaschen sind Pflicht.
  3. Meide kritische Situationen: Geburtshilfe, Kontakt zu Nachgeburten – einfach Nein sagen oder mit FFP2-Maske .
  4. Auf die Ernährung achten: Rohmilchprodukte und nicht durcherhitztes Fleisch sind tabu.
  5. Mit offenen Augen über den Betrieb gehen: schlecht fermentierte Silage ist nicht nur für Kühe ein Problem.
  6. Im Zweifel: Bluttest: Viele Erreger (z. B. Toxoplasmose) kann man vorab checken.

Mein Fazit

Schwanger im Stall zu arbeiten ist möglich – aber nur, wenn du die Risiken kennst und ernst nimmst. Denk dran: Es geht nicht nur um deine Gesundheit, sondern auch um das Leben deines Kindes. Und ich verspreche dir: Niemand auf dem Hof ist böse, wenn du in dieser Zeit mal „Nein“ sagst.

Bleib gesund – und pass gut auf dich auf!

 

Quelle:

 

1 Hilbert, A., 2015. Coxiella burnetii – Epidemiologische Untersuchungen zum Vorkommen und zur Verbreitung in Schaf- und Rinderbeständen in Deutschland. Berlin, Freie Universität, veterinärmed. Fak., Diss.

2 Bundesinstitut für Risikobewertung, 2003. Q-Fieber: Übertragung des Erregers Coxiella (C.) burnetii in Tierbeständen und durch Lebensmittel auf den Menschen

3 Tanja Groten et al. (2020): Who is at risk of occupational Q fever: new insights from a multi-profession cross-sectional study

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