Rückblick auf 2006–2010 und was heute anders ist als damals
Die Blauzungenkrankheit (Bluetongue Disease) ist für viele Landwirte in Deutschland ein Begriff – nicht zuletzt wegen der massiven Ausbrüche und Impfkampagnen zwischen 2006 und 2010. Viele erinnern sich an diese Zeit mit gemischten Gefühlen: Impfpflicht, Nebenwirkungen und Leistungseinbußen prägten das Bild. Heute, wo das Virus wieder in Europa zirkuliert und die Impfung erneut Thema wird, sind bei vielen Betrieben Sorgen spürbar.
Einen umfassenden Überblick über die Bedeutung von Impfungen finden Sie hier: "Blauzungenkrankheit bei Wiederkäuern - Was sie als Tierhalter wissen müssen!".
In diesem Beitrag möchten wir einen Vergleich ziehen: Wie war die Situation damals – und was ist heute anders? Dabei gehen wir besonders auf die Impfstoffe, deren Sicherheit und die Bedeutung der Impfung ein. Ziel ist es, aufzuklären und zu zeigen, dass sich seit damals viel verändert hat – zum Positiven.
Rückblick: Die Blauzungen-Ausbrüche ab 2006
Im August 2006 wurde in den Niederlanden erstmals ein Fall von Blauzungenkrankheit durch den Serotyp BTV-8 festgestellt. Wenig später erreichte das Virus auch Deutschland – zunächst in Nordrhein-Westfalen, dann auch in anderen Bundesländern. Die Krankheit breitete sich rasch aus, da sie durch winzige Mücken (Gnitzen, Culicoides) übertragen wird, die durch Klimaveränderungen in Mitteleuropa Fuß gefasst hatten.
Besonders betroffen waren Schafe, aber auch Rinder zeigten Symptome – von Fieber und Abmagerung bis hin zu Milchleistungsrückgang und in schweren Fällen auch Todesfällen.
Impfpflicht gegen BTV-8: Erfolg mit Schattenseiten
Ab 2008 wurde in Deutschland eine flächendeckende Impfpflicht gegen BTV-8 eingeführt. Ziel war es, das Virus unter Kontrolle zu bringen – was auch gelang. Durch die flächendeckende Impfung konnte Deutschland bereits 2012 wieder als BTV-frei erklärt werden. Der Seuchenzug wurde also durch konsequente Maßnahmen erfolgreich beendet.
Allerdings war die damalige Impfkampagne nicht unumstritten. Viele Landwirte berichten bis heute von Nebenwirkungen der Impfstoffe und empfinden die damalige Pflichtimpfung als Zwangsmaßnahme mit unangenehmen Folgen.
Impfstoffe von damals: Mehr Nebenwirkungen durch Lebendimpfstoffe
Ein großer Teil der negativen Erfahrungen lässt sich auf die damalige Verwendung von Lebendimpfstoffen (attenuierten Vakzinen) zurückführen. Mehr Informationen über Lebend- und Totimpfstoffe finden Sie hier: "Welchen Impfstoff mag die Kuh – tot oder lebendig?". Diese enthielten abgeschwächte, aber vermehrungsfähige Viren und konnten tatsächlich eine leichte Virämie auslösen – was theoretisch sogar zu einer Weiterverbreitung durch Gnitzen hätte führen können.
Berichtete Nebenwirkungen waren u. a.:
- Fieber und Appetitlosigkeit
- Milchrückgang, besonders bei Milchkühen
- Lokalreaktionen an der Einstichstelle
- Aborte und Fruchtbarkeitsstörungen, insbesondere bei trächtigen Tieren

- In seltenen Fällen: Lahmheiten, reduziertes Allgemeinbefinden
Diese Reaktionen führten zu einer verständlichen Verunsicherung bei Tierhaltern. Viele Betriebe erlebten nach der Impfung vorübergehende Leistungseinbußen, was unter dem Druck der Impfpflicht zu Frustration führte.
Aus diesen Gründen wurden Lebendimpfstoffe in der EU schließlich vom Markt genommen und durch modernere, risikoärmere Alternativen ersetzt.
Heute: Moderne Impfstoffe sind sicherer und besser verträglich
Die heutigen Impfstoffe gegen die Blauzungenkrankheit basieren ausschließlich auf inaktivierten Viren (Totimpfstoffe). Die in diesen Impfstoffen enthaltenen Viren können sich nicht vermehren und verursachen keine Virämie. Das Risiko einer Weiterverbreitung oder schwerer Nebenwirkungen ist damit deutlich reduziert.
Was bedeutet das für die Praxis?
- Aborte, wie sie unter den alten Lebendimpfstoffen beobachtet wurden, sind unter den heutigen Impfstoffen nicht zu erwarten.
- Lokalreaktionen wie leichte Schwellungen an der Injektionsstelle können vorkommen, sind aber meist harmlos und vorübergehend.
- Allgemeinbefinden und Milchleistung bleiben in der Regel unbeeinträchtigt.
- Die Verträglichkeit bei trächtigen Tieren ist deutlich besser dokumentiert.
Viele Tierärzte berichten heute von kaum noch nennenswerten Nebenwirkungen bei der Impfung mit den neuen Präparaten. Auch die Empfehlungen der europäischen Zulassungsbehörden bestätigen die gute Verträglichkeit.

Warum Impfen heute wieder wichtig ist
Auch wenn es aktuell keine Impfpflicht gegen die Blauzungenkrankheit in Deutschland gibt, ist die freiwillige Impfung in gefährdeten Regionen dringend zu empfehlen. Warum?
- Das Virus ist nicht verschwunden. Immer wieder kommt es zu Neueinträgen, teils aus Frankreich oder Südosteuropa.
- Die Verbreitung durch Gnitzen ist kaum zu verhindern. Nur die Impfung schützt wirksam.
- Ein erneuter Seuchenzug wie 2006–2009 ist möglich, wenn keine Immunität besteht.
- Exportbeschränkungen: Ungeimpfte Tiere aus Regionen mit BTV-Nachweis dürfen unter Umständen nicht vermarktet oder exportiert werden.
- Tierschutz und Tiergesundheit: Die Blauzungenkrankheit kann schwere Krankheitsverläufe verursachen, insbesondere bei Schafen – aber auch Rinder sind betroffen.
Wer impft, schützt also nicht nur den eigenen Bestand, sondern auch die gesamte Region. Wie Impfungen in der Rinderhaltung richtig eingesetzt werden, lesen Sie hier: "Impfungen in der Rinderhaltung: Warum sie unverzichtbar sind – und wie sie richtig wirken".

Fazit: Keine Angst vor der Impfung – Lernen aus der Vergangenheit
Die Erinnerungen an die damalige Impfpflicht gegen BTV-8 sind verständlich negativ geprägt. Doch es ist wichtig, zwischen damals und heute zu unterscheiden:
- Die Impfpflicht bestand damals aus seuchenrechtlichen Gründen – sie ist heute nicht mehr in Kraft.
- Die Lebendimpfstoffe, die für viele Nebenwirkungen verantwortlich waren, werden heute nicht mehr verwendet.
- Die heutigen inaktivierten Impfstoffe sind deutlich verträglicher und verursachen in der Regel keine schwerwiegenden Reaktionen.
- Die freiwillige Impfung schützt Tiere und Betriebe nachhaltig – und kann eine erneute flächendeckende Seuche verhindern.
Gerade weil die Impfung heute freiwillig ist, liegt die Verantwortung bei uns allen – Landwirten, Tierärzten und Tierhaltern –, gemeinsam für den Schutz unserer Bestände zu sorgen. Wer sich heute bewusst für die Impfung entscheidet, trägt zur Seuchenprophylaxe bei – ohne die Belastungen, die damals mit der Impfpflicht einhergingen.
Weitere Informationen
Für konkrete Empfehlungen, ob und wann in Ihrer Region geimpft werden sollte, wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige Tierarztpraxis. Diese kann Sie individuell und aktuell zur regionalen Risikolage und zu geeigneten Impfstoffen beraten.