- Fruchtbarkeit beim Rind
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Fitness im Kuhstall - das klingt für den einen oder anderen nach hart arbeitenden Kühen, die sich auf dem Laufband abstrampeln, um die Wette Bankdrücken oder mit ihrem Yogakreis meditieren. Eigentlich eine belustigende Vorstellung.
Zugegeben, ganz so ist es nicht. Wir können den Kuhstall allerdings schon als Hochleistungs-Muckibude betrachten, in welcher durch unsere Kühe unfassbare Leistungen erzielt werden. Um einen Liter Milch zu bilden, müssen 400 Liter Blut durch das Euter gepumpt werden. Das sind bei 40 Litern am Tag 16000 Liter!
Die ideale Milchkuh - gibt es sie überhaupt? Bei der Auswahl der Kriterien, die eine ideale Milchkuh ausmachen, werden wir viele Meinungen finden. Jeder hat seine eigene Vorstellung von der „idealen Kuh“ und das hat gute Gründe.
Bei einem Artikel in der Elite stieß ich auf interessante Ansätze aus der Sicht eines Tierarztes, eines Züchters, eines Chefklassifizierers und eines Preisrichters. Sie beschreiben, was die heutige Kuh optisch mitbringen muss, um hochleistend, gesund und haltbar zu sein.1
Ein Merkmal, für das sich alle der vier Spezialisten begeistern, ist Dairy Strength. Die Stärke der Milchkuh sei entscheidend für den Umgang mit Strapazen und somit eines der wichtigsten Exterieur Merkmale. Breite Brust, breites Becken, ein starkes Rückgrat, ein hohes, breites Hintereuter und ein gutes Fundament - das mache eine Kuh laut Aussage von Rob George, Tierarzt aus Großbritannien, „haltbar“. Auch Vordereuter, Wölbung und Schräge der Rippen sowie Bewegung seien Merkmale, die bei der Einstufung großes Gewicht haben. „Wir brauchen problemlose Kühe, die gehen können.“1 Eine mittelrahmige Kuh mit eben genannten Merkmalen sei somit als „ideal“ zu bezeichnen. Kühe mit steilen Hinterbeinen machten in der Erfahrung der vier Spezialisten mehr Probleme und hatten häufiger Knie- und Sprunggelenksbeschwerden.
Da wir züchterisch einiges im Bereich Exterieur beeinflussen können, lohnt es sich, diese Überlegungen in die Auswahl des Zuchtbullen mit einzubeziehen und nicht nach einem Schema 08/15 zu besamen. Viele nutzen bereits die Anpaarungsberater der Zuchtunternehmen, welche darauf spezialisiert sind, nach unseren Bedürfnissen den geeigneten Bullen für die jeweilige Kuh zu finden. Sprechen Sie doch Ihren Berater mal auf Fitnessmerkmale in der Zuchtwertschätzung an!
Die Tierzucht hat sich über die letzten Jahrzehnte sehr stark entwickelt und gewichtet mittlerweile Gesundheit und Fitness der Kuh mit 55 % stärker als die Milchleistung. Neben der Steigerung der Fruchtbarkeit konzentriert sie sich hauptsächlich auf die Zuchtziele Tiergesundheit, Robustheit und Langlebigkeit. Die Erblichkeit von Merkmalen, auch Heritabilität genannt, in Richtung Fitness ist ein guter Ansatzpunkt, um den Grundstein für gute körperliche Voraussetzungen einer starken Milchkuh zu legen. Sie reichen jedoch nicht aus, um eine fitte Herde zu bekommen.
Was macht nun eine leistungsfähige Kuh in guter körperlicher Verfassung, welche Belastungen gut standhält, eigentlich aus?2
Die Schweizer Zuchtverbände scheinen eine Antwort darauf zu haben. Sie haben einen Index für Funktionalität und Fruchtbarkeit (IFF) entwickelt, in dem Fruchtbarkeit, Zellzahl, Nutzungsdauer und Persistenz aufgeführt sind. So lässt sich also sagen, dass züchterisch rund die Hälfte der Fitness durch die weibliche Fruchtbarkeit dargestellt wird.
Fitness züchterisch darzustellen, ist nicht so einfach, da die Merkmale, die zur Fitness beitragen, eine geringe Heritabilität aufweisen. So weist die Fruchtbarkeit bei Milchkühen nur eine Heritabilität von 0,01- 0,05 auf, das heißt, nur 1-5 % des Merkmals sind genetisch bedingt. Die umweltbedingten Einflüsse liegen um ein Vielfaches höher.
Lesen Sie dazu auch: Warum wird meine Kuh nicht tragend? ... Liegt es an der Fütterung?
Im Bereich der Eutergesundheit verzeichnen wir nur eine Heritabilität von 0,25, das heißt, die umweltbezogenen Einflüsse machen drei Viertel der Erkrankungen aus.
Die Haltung von Milchrindern hat sich über die Jahre stark verändert, sodass fast drei Viertel der Rinder in offenen Boxenlaufställen gehalten werden, in denen sie sich frei bewegen und ihr Herdenverhalten ausleben können.
Wow, da hat sich ganz schön viel in Bezug auf Zucht und Haltung getan. Dann dürfte doch eigentlich der Fitness unserer Kühe nichts mehr im Weg stehen… oder doch?
Nun, ganz so einfach ist es nicht. Dann könnten wir ja alles auf die Genetik schieben, wenn mal etwas schiefläuft.
Dazu möchte ich Ihnen gern die Geschichte von Kuh Elsa und Kuh Berta erzählen.
Kuh Elsa und Kuh Berta sind beides Töchter von Kuh Frieda und Bulle Bernd. Sie haben folglich das gleiche genetische Potential.
Kuh Elsa bleibt bei Bauer Fred, wo sie geboren wurde. Der Kälberstall wurde gerade gebaut und ist hell und gut belüftet. Getränkt wird sie über eine automatische Tränke, die bedarfsgerecht Milch portioniert. Eingestreut wird regelmäßig und beim kleinsten Anzeichen von Bauchweh oder Husten wird der Tierarzt, Herr Schmidt, gerufen und Elsa wird behandelt. Schließlich, das hat Bauer Fred so gelernt, sind die Aufzucht und Gesundheit von enormer Bedeutung, um später eine erfolgreiche Hochleistungskuh zu bekommen. Als Färse bekommt sie gutes, schimmelfreies Futter, ausreichend Rohfaser und angepasstes Mineralfutter, denn Bauer Fred weiß, was es braucht, damit Elsa sich bestmöglich entwickeln kann. Er hat seine Tiere in Leistungsgruppen eingeteilt und sich einige Gedanken über die Fütterung der einzelnen Gruppen gemacht. Auch die Liegeplätze und Laufgänge im Stall sind sauber und groß genug.
Kuh Berta hat weniger Glück und wird an Bauer Karl verkauft. Dieser hat noch sehr alte Ställe, in denen die Luft nicht so gut ist und tränkt mit Nuckeleimern, die alle 2 Tage gereinigt werden. Berta hat häufig Husten, weil die Luft im Stall eben nicht so gut ist und es auch sehr zügig ist. Leider hat Bauer Karl nicht so viel Verständnis dafür und denkt sich, dass sich das schon wieder geben wird. Und das bisschen Durchfall wird auch wieder. Als Berta eine Färse ist, kommt sie in einen anderen Stall, der auch sehr klein und stickig ist. Sie bekommt das Futter, was die Kühe nicht fressen, weil es - na ja - nicht von bester Qualität ist. Ab und an sind mal kleine Schimmelnester drin. Vielleicht hat das Silo mal Regen abbekommen. Mineralfutter gibt es ab und zu mal dazu. Für die Färsen reicht das ja, die leisten noch nichts…
Was meinen Sie, wer am Ende des Tages bei gleichem genetischen Potential die gesündere, besser entwickelte und somit fittere Kuh sein wird?
Wir sehen: Der Vergleich macht sehr deutlich, dass umweltbezogene Faktoren einen weitaus größeren Einfluss auf die Fitness der Herde haben, als es oft vermutet wird. Das Management und die an die Leistung angepasste Aufzucht, Fütterung, Haltung, Brunstbeobachtung und Mineralstoffversorgung sind das A und O, um die Herde agil zu halten. Kuhkomfort ist nicht nur das neue Trendwort bei Stalleinrichtern, sondern ein wesentlicher Aspekt, damit Elsa oder Berta ihr genetisches Potential ausschöpfen können und uns lange Freude bereiten.
„Eine fitte Kuh ist zunächst auch einfach die Kuh, welche in das System passt.“ 2 Das beginnt natürlich bei der Auswahl der Rasse, die zum jeweiligen System im Stall passen muss. „Eine Hochleistungskuh kann noch so hohe Zuchtwerte für Fitness haben: Wenn sie nicht ausreichend versorgt ist, produziert sie in den meisten Fällen noch immer viel Milch, wird aber beispielsweise tendenziell eine schlechte Fruchtbarkeit haben. Die gleiche Kuh in einem System, das ihren Bedürfnissen entspricht, kann aber sehr fit sein.“3
Wenn wir uns die Zuchtentwicklung der hochleistenden Milchkuh anschauen, sehen wir, dass Kühe vor 20 Jahren weitaus kleinrahmiger waren als heute. Danach wurden Liegeboxen, Kopfrohre, Fressgitter etc. konstruiert. Durch die Zucht auf großrahmigere Kühe kann es zu Defiziten in den Ställen kommen, da die Haltungssysteme nicht angepasst sind. Auf der Weide liegen Kühe im Durchschnitt elf Stunden und gehen ihrer Wiederkäuaktivität nach. Bei angepassten Systemen im Stall sollten sie zwölf bis vierzehn Stunden liegen. Wenn wir den Stall betreten und aufmerksam beobachten, können wir genau sehen, ob Kuh und System zusammenpassen. Natürlich können wir keinen kompletten Stallumbau herbeizaubern, gerade bei der aktuell wirtschaftlichen Lage, manchmal bedarf es jedoch nur kleiner Veränderungen, um Großes zu erzielen. Ein kleiner Tipp… im eigenen Stall sehen wir oft die Gegebenheiten anders als in einem fremden Stall. Laden Sie sich doch mal den Landwirt von nebenan ein oder besuchen ihn, um konstruktiv über Ideen zur Verbesserung des Kuhkomforts zu sprechen.
Wir haben züchterisch einige Möglichkeiten, eine gute Grundlage zur Verbesserung der Fitness in unserer Kuhherde zu schaffen und sollten einmal mehr ein Auge auf die entscheidenden Kriterien bei der Auswahl des richtigen Bullen für unsere Kühe haben. Exterieur, Fruchtbarkeit, Zellzahl, Nutzungsdauer und Persistenz sollten Entscheidungskriterien dabei sein. Die Beobachtung im Stall bezüglich Liegedauer, Wiederkäuaktivität und Bewegung der Kühe gibt uns Aufschluss über wohlfühlende Kühe oder Verbesserungsbedarf. Am Wichtigsten ist, wie so oft, die Optimierung des Managements bezüglich Aufzucht, Fütterung, Haltung und Gesunderhaltung unserer Tiere. Die Kuh kann genetisch noch so tadellos sein… wenn sie nicht richtig versorgt wird, wird sie ihr Potential nie richtig ausschöpfen können. Denken Sie immer an Kuh Elsa und ermöglichen Sie Ihren Tieren ein ebenso sorgloses und fittes Leben. Sie werden es Ihnen danken! Bleiben Sie gesund und fit!
Quellen:
Grafk: swissgenetics.ch