Kuh blickt auf ihren Schwanz auf der Weide

Weniger Nachgeburtsverhaltungen beim Rind dank Impfung

Sarah Vorbeck

·

9.09.2022

·

5 Min. Lesezeit

Die ungewöhnlich hohe Anzahl an Kühen mit Nachgeburtsverhaltungen ließen einen Landwirt und die Hoftierarzt-Praxis in Baden-Württemberg stutzig werden. Was konnte dafür die Ursache sein? Nach eingehender Diagnostik wurde auf dem Betrieb eine Infektion mit dem Q-Fieber Erreger nachgewiesen. Was genau geschah und welche Maßnahmen den Durchbruch erbrachten, lesen Sie in diesem Artikel.

Was war die Situation auf dem Betrieb?

Der Betrieb hatte seine Kuhherde von 185 Rindern im Frühjahr 2019 auf 220 Rinder bis Frühjahr 2020 aufgestockt. In diesem Zeitraum wurden 235 Kälber (je die Hälfte weiblich und die andere Hälfte männlich) geboren, wobei die Zwillingsrate bei 14 % lag.
Am Fütterungsmanagement gab es keine Veränderungen. Kühe und Färsen sind im Boxenlaufstall mit Stroheinstreu untergebracht. Frischabkalber sind im gleichen Stall, aber einem abgetrennten Bereich. Die jährliche durchschnittliche Milchleistung des Betriebes lag bei 8.800 Kg.
Sowohl der Landwirt als auch die betreuenden Tierärzte stellten eine erhöhte Anzahl an Nachgeburtsverhaltungen gefolgt von klinischer Metritis fest. Zudem war das erhöhte Vorkommen von Zwillingsgeburten auffällig. Weitere Fruchtbarkeitsprobleme konnten jedoch nicht beobachtet werden. Die Besamungsindex lag bei 1,8.
Diese Fruchtbarkeitprobleme veranlasste die Tierärzte dazu, alle auftretenden Nachgeburtsverhaltungen und Endometritiden ab Februar 2019 zu dokumentieren. Im Zeitraum von Februar bis Juni 2019 waren es bereits 12 dokumentierte Fälle.

Das Behandlungsschema sah in der Regel wie folgt aus: Lokale antibiotische Behandlung in Kombination mit einem Entzündungshemmer über 3 Tage. Wenn die Kühe im Anschluss eine klinische Metritis entwickelten und eine Körpertemperatur über 39°C hatten, wurde ein zusätzliches Antibiotikum verabreicht. In 2 Fällen führte dieses Behandlungsschema nicht zur Besserung der Symptome und es wurden weitere Maßnahmen ergriffen. Die Ursache für die Nachgeburtsverhaltungen und die nachfolgenden Gebärmutterentzündungen war zu diesem Zeitpunkt unbekannt.

2 Milchkühe Kopf an Kopf nebeneinander

Wie kamen die Tierärzte dem Fruchtbarkeitsproblem auf die Spur?

Im April 2019 wurde eine Gewebeprobe einer Nachgeburt in ein Labor geschickt, um ein Abort-Screening durchzuführen. Bei einem Abort-Screening wird die Probe auf verschiedene bakterielle Aborterreger u.a. auch auf den Q-Fieber Erreger (Coxiella burnetii) untersucht.

Das Ergebnis war eindeutig: Bekannte Aborterreger wie Campylobacter oder Chlamydien waren negativ, aber der Q-Fieber-Erreger konnte nachgewiesen werden . Die Tierärze entschieden sich dazu, Tankmilchproben speziell auf den Q-Fieber-Erreger untersuchen zu lassen. Alle Proben waren eindeutig positiv.

Mehr zum Vorgehen bei einem Q-Fieber-Verdacht oder ungeklärten Fruchtbarkeitsproblemen lesen Sie hier.

Diagnose Q-Fieber – und jetzt?

Aufgrund der eindeutigen Laborergebnisse kamen die Tierärzte zu dem Schluss, dass das Bakterium Coxiella burnetii zumindest einer der Hauptursachen für die vorliegenden klinischen Symptome sein muss. Daraufhin wurden folgende Lösungsansätze diskutiert:

  1. Keine Impfung - nur antibiotische Behandlung der betroffenen Kühe. Taurel et al. (2014)1 zeigten jedoch, dass der Einsatz von Antibiotika die C.-burnetii-Belastung in der Tankmilch und damit die Ausscheidung nicht verringern konnte.
  2. Nur das Impfen von Färsen vor der ersten Besamung. Studien zeigten, dass bei der Impfung von nicht tragenden Tieren eine 5-fach geringere Wahrscheinlichkeit besteht, zum Ausscheider zu werden als bei ungeimpften Tieren.2,3
  3. Durchimpfen der gesamten Herde (jedes Kalb ab 3 Monaten, Färsen und Kühe). Auf diesem Wege würde die Herde in 3 bis 5 Jahren rehabilitiert sein. Taurel1 kam zu dem Schluss, dass bei einer zu 80% oder höher geimpften Herde die Erregeranhäufung und Ausschüttung in der Tankmilch signifikant reduziert werden konnte. Eine andere Studie zog ebenfalls das Fazit, dass eine Herdenimpfung noch effektiver sei als nur das Impfen von Färsen.4


Der Landwirt aus unserem Fallbeispiel entschied sich für Option 3, sodass im Juni 2019 325 Kühe geimpft wurden.

5 Tage später berichtete der Landwirt von einem leichten Milchleistungsrückgang und einige Kühe wiesen Fieber auf. Diese Nebenwirkung ist bekannt und ist ein Zeichen dafür, dass der Körper sich mit dem Erreger auseinandersetzt und eine gute Abwehr aufbaut. Die Situation regulierte sich aber nach weiteren 5 Tagen wieder. Sowohl die Körpertemperatur als auch das Allgemeinverhalten der Kühe waren wieder auf Normallevel und die Milchleistung stieg wieder an. Einige Wochen später befand sich die Milchleistung zurück auf Ursprungsniveau. Anfang Juli erhielten die Kühe ihre Zweitimpfung, woraufhin nur einige Kühe leicht Fieber bekamen. Der Milchleistungsrückgang fiel geringer aus als nach der Erstimpfung und das Allgemeinverhalten war nach wenigen Tagen wieder normal.
Die Fälle an Nachgeburtsverhaltungen nach der Impfung sah wie folgt aus:
  • Juli: 0 Kühe
  • August: 2 Kühe
  • September: 0 Kühe
  • Oktober: 1 Kuh
  • November: 1 Kuh

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass innerhalb von 5 Monaten nach der Impfung 7 Fälle an Nachgeburtsverhaltungen weniger dokumentiert wurden, als in dem Monat vor der Impfung.

Dunkle Kühe auf der Weide

Was nehmen wir aus diesem Praxisbericht mit?

Die ergriffenen Maßnahmen erbrachten sowohl für den Landwirt als auch für die betreuenden Tierärzte zufriedenstellende Ergebnisse. Da weder Fütterung, noch Stallunterbringung oder das Management in diesem Zeitraum umgestellt wurden, kann man davon ausgehen, dass die Reduzierung der klinischen Symptome auf den positiven Effekt der Impfung zurückzuführen ist.
Der Landwirt plante, die jährliche Auffrischungs-Impfung für mindestens 2 weitere Jahre in der gesamten Herde durchzuführen.

Ende Mai 2020 wurde eine zweite Tankmilchprobe eingesendet. Das Ergebnis fiel noch positiv aus, was die Tierärzte auch erwartet hatten, da der Erreger durch die Impfung nicht umgehend aus der Herde verschwindet, sondern erst über einen längeren Zeitraum (betriebsindividuell ca. 3-5 Jahre). Zudem hatte der Landwirt seiner Herde weitere nicht-geimpfte Tiere zugeführt, die potenziell den Erreger ausscheiden können bzw. sich auch bei der geimpften Herde, die den Erreger noch ausscheidet, anstecken könnten. Es konnte jedoch eindeutig nachgewiesen werden, dass der Erregerdruck abgenommen hat. Um die Erregerausscheidung in der Herde weiter im Blick zu behalten, wurden und werden jährlich Tankmilchproben entnommen.

Die Frage, warum es auf dem Betrieb so viele Zwillingsgeburten gibt, konnte nicht geklärt werden. Eine Studie in 20155 kam allerdings zu dem Schluss, dass mit C. burnetii infizierte Kühe eine höhere Zwillingsträchtigkeitsrate aufweisen als nicht-infizierte Kühe. Um jedoch Rückschlüsse auf unser Fallbeispiel ziehen zu können, wären weitere Untersuchungen notwendig.

Haben auch Sie Sorge, dass Ihr Betrieb von Q-Fieber betroffen sein könnte?
Unser Diagnostik-Leitfaden gibt Ihnen Hilfestellung zum besten Vorgehen.

Q-Fieber ist eine meldepflichtige Krankheit. Lesen Sie hier mehr zum Thema Meldepflicht.

Allgemein gilt: Keine Angst vor Meldepflicht!

Quellen:
1 Taurel, A.-F.; Guatteo, R.; Lehebel, A.; Joly, A.; Beaudeau, F. (2014): Vaccination using phase I vaccine is effective to control Coxiella burnetii shedding in infected dairy cattle herds. In: Comparative immunology, microbiology and infectious diseases 37 (1), S. 1–9. DOI: 10.1016/j.cimid.2013.10.002.
2 Guatteo, R.; Seegers, H.; Joly, A.; Beaudeau, F. (2008): Prevention of Coxiella burnetii shedding in infected dairy herds using a phase I C. burnetii inactivated vaccine. In: Vaccine 26 (34), S. 4320–4328. DOI: 10.1016/j.vaccine.2008.06.023.
3 Piñero, A.; Barandika, J. F.; Hurtado, A.; García-Pérez, A. L. (2014): Progression of Coxiella burnetii infection after implementing a two-year vaccination program in a naturally infected dairy cattle herd. In: Acta Veterinaria Scandinavica 56 (1), S. 47. DOI: 10.1186/s13028-014-0047-1.
4 Courcoul, A.; Hogerwerf, L.; Klinkenberg, D.; Nielen, M.; Vergu, E.; Beaudeau, F. (2011): Modelling effectiveness of herd level vaccination against Q fever in dairy cattle. In: Veterinary research 42, S. 68. DOI: 10.1186/1297-9716-42-68.
5 Garcia-Ispierto, I.; López-Helguera, I.; Tutusaus, J.; Mur-Novales, R.; López-Gatius, F. (2015): Effects of long-term vaccination against Coxiella burnetii on the fertility of high-producing dairy cows. In: Acta veterinaria Hungarica 63 (2), S. 223–233. DOI: 10.1556/004.2015.020.

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